Augen auf beim Einkauf

  • Robert Rescue
  • Lesedauer: 2 Min.

Aus den Augenwinkeln heraus sehe ich, wie die Kassiererin eine dünne gelb-grün-rote Verpackung über den Scanner zieht. Ich denke mir, das wird ein Werbegeschenk sein, weil mein Einkauf 20 Euro übersteigt. Einen genauen Blick auf die Verpackung werfe ich beim Verstauen nicht. Zuhause angekommen packe ich den Einkauf aus und staune. In den Händen halte ich eine Packung »Fenster-Streifen gegen Fliegen im Haus«. Ist dies das Werbegeschenk des Discounters? Fliegengift?

Aus allen Wolken falle ich, als ich den Kassenzettel kontrolliere. Die Verkäuferin hat mir 99 Cent dafür berechnet, für ein Produkt, das ich definitiv nicht in den Wagen gelegt habe, weil ich damit überhaupt nichts anfangen kann. Ich bin perplex und überlege, wie es dazu kommen konnte. Vor mir an der Kasse stand eine türkische Mutter mit einem Großeinkauf. Könnte es sein, dass das Fliegengift von ihrem Einkauf auf meinen gefallen ist? Packt sie in diesem Moment ihre Tasche aus und fragt sich, wo die Fensterstreifen abgeblieben sind? Ich erinnere mich an das ältere deutsche Paar vor der türkischen Mutter. Die hatten nämlich Ameisengift gekauft und die Verpackung sah ähnlich aus. Verkauft der Discounter diese Woche Pestizide im Wochenshop, und die beiden haben sich reichhaltig eingedeckt? Wie aber ist ihr Fliegengift auf meinem Einkauf gelandet? Ist es womöglich auf die Waren der türkischen Mutter gerutscht, und die hat die Verpackung klammheimlich weitergereicht? Warum hat sie das getan? Natürlich, sie wollte das nicht bezahlen und die Kassiererin nicht darauf aufmerksam machen, dass auf ihrem Einkauf etwas liegt, das sie nicht kaufen will. Aber hätte sie mit einem genauen Blick nicht sehen können, dass das Fliegengift zu dem älteren Paar mit dem Ameisengift gehört und die Packung zurücklegen können? Kurz überlege ich, ob die Verpackung von jemand ganz anderem stammt, der vergessen hat, den Einkauf einzupacken, so dass der Discounter doppelt kassiert. Das kann aber nicht sein, denn ich schaue spätestens an der Kasse in den Wagen, ob ich vergessen habe, etwas auf das Band zu legen.

Ich nehme die Verpackung und räume sie in den Schrank unterhalb des Küchenfensters. Dort bewahre ich all die Dinge auf, die auf irgendeine Weise den Weg zu mir gefunden haben, für die ich aber keine Verwendung habe.

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