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Petra Pau: NSU-Untersuchung nicht abgeschlossen

Bundestagsausschuss legt Abschlussbericht vor / Edathy kritisiert massives »Behördenversagen« bei Ermittlungen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin (Agenturen/nd). Kurz vor der Vorlage des Abschlussberichts des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags haben Politiker der Opposition das Versagen der Behörden kritisiert und weitere Aufklärung über die Mordserie von Neonazis und die staatliche Verstrickung darin verlangt.

Die Linken-Politikerin Petra Pau meinte gegenüber der »Berliner Zeitung«, sie könne »nicht sagen, wir sind fertig mit der Abarbeitung des Untersuchungsauftrages. Das hat nicht nur mit der zögerlichen Aktenbelieferung etwas zu tun, sondern vor allem mit der Komplexität dieser Vorgänge«. Es gebe zu zahlreichen Punkten noch »sehr viele Fragezeichen«. Pau wollte nicht ausschließen, dass sich in den kommenden Monaten in den NSU-Untersuchungsausschüssen in Thüringen und Sachsen neue Erkenntnisse ergeben, »die der neue Bundestag dann in geeigneter Form – sei es im Innenausschuss, sei es in einem Untersuchungsausschuss – aufklären muss«.

Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags, Sebastian Edathy, stellte derweil den Behörden erneut ein vernichtendes Zeugnis bei den Ermittlungen zu den Mordtaten der rechtsextremen Gruppe aus. »Wir kommen ganz klar zu dem Befund, dass wir es mit einem massiven Behördenversagen zu tun haben, das sich ergeben hat aus einer drastischen Unterschätzung der Gefährlichkeit der gewaltbereiten rechtsextremen Szene in Deutschland«, sagte Edathy dem Radiosender NDR Info.

Spekulationen, wonach die Behörden einen ausländerfeindlichen Hintergrund der Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds absichtlich ignorierten, wies Edathy hingegen zurück. »Wir haben keine Hinweise darauf gefunden, dass Behörden zu der Zeit, als die Straftaten sich ereignet haben, wussten, wer dahinter steckt, und weggeschaut oder die Täter unterstützt haben.«

Der Untersuchungsausschuss soll am Donnerstag seinen Abschlussbericht vorlegen. Die Abgeordneten ziehen nach anderthalbjähriger Arbeit ihr Fazit über die Ermittlungspannen der Behörden, wegen der die Mordserie jahrelang unerkannt geblieben war. Der Bericht stelle »eine beschämende Niederlage der deutschen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden« fest, zitiert die »Berliner Zeitung« aus dem Dokument. Deutlich geworden seien schwere Versäumnisse und Fehler der Behörden sowie Organisationsmängel bis hin zum Organisationsversagen bei Behörden von Bund und Ländern.

Nach eineinhalb Jahren Arbeit haben alle Fraktionen von Regierung und Opposition auf fast 1000 Seiten Empfehlungen für Reformen bei Polizei, Justiz und Geheimdiensten entwickelt. Am 2. September befasst sich der Bundestag in einer Sondersitzung mit dem Bericht. Dem NSU wird der Mord an neun Migranten und einer Polizistin zur Last gelegt; in München läuft derzeit der Prozess um die Taten.

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Was sich ändern muss

Ausschuss erarbeitete 47 Empfehlungen

Der Untersuchungsausschuss zum Nationalsozialistischen Untergrund hat 47 Empfehlungen für Sicherheitsbehörden und Politik vorgelegt. Hier sind die wichtigsten Punkte:

Polizei
»Es muss eine ›Fehlerkultur‹ in den Dienststellen entwickelt werden.«

»Interkulturelle Kompetenz muss ein fester und verpflichtender Bestandteil der Polizeiausbildung sein (...).«

»Die Kommunikation mit Opfern beziehungsweise Hinterbliebenen, deren nächsten Angehörigen und ihnen nahestehenden Personen ist eine (...) wichtige Aufgabe, die von dafür speziell geschulten Beamten wahrgenommen werden soll.«

Justiz
»Die Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und die Aus- und Fortbildung für
Staatsanwälte und Justizvollzugsbedienstete müssen die Grundlage dafür legen, dass Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in ihrer Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden.«

Verfassungsschutz
»In den Verfassungsschutzbehörden wird ein umfassender Mentalitätswechsel und ein neues Selbstverständnis der Offenheit gebraucht - und keine ›Schlapphut-Haltung‹ der Abschottung.«

V-Leute bei den Sicherheitsbehörden
»Der Ausschuss fordert klare Vorgaben hinsichtlich der Auswahl und Eignung von Vertrauensleuten (u. a. bezüglich Vorstrafen), für deren Anwerbung und die Beendigung der Zusammenarbeit.«

nd/dpa

 

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