Reise ans Ende der Zeit

Vor 125 Jahren starb der deutsche Physiker Rudolf Clausius

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Anfang war nicht das Wort, sondern der Urknall, der oft als Materieexplosion im Raum missdeutet wird. In Wirklichkeit entstanden vor rund 13,8 Milliarden Jahren neben der Materie auch Raum und Zeit. Seitdem dehnt sich das Universum aus, was unter anderem daran ersichtlich ist, dass alle Galaxien immer weiter voneinander wegdriften.

Wohin aber führt diese Expansion? Oder anders gefragt: Welches ist der Endzustand unserer Welt? Bereits im 19. Jahrhundert gab der deutsche Physiker Rudolf Clausius (1822-1888) auf diese Frage eine Antwort, die Wissenschaftler ebenso irritiert hat wie Philosophen, und die auch für die moderne Kosmologie eine Herausforderung darstellt: die Wärmetodhypothese.

Ausgangspunkt für Clausius war die Beobachtung, dass bei allen Energieumwandlungen ein Rest an nicht mehr verwertbarer Wärme übrig bleibt. Alle natürlichen Prozesse verlaufen mithin irreversibel. Als Maß für den thermodynamischen Zeitpfeil führte Clausius eine neue physikalische Größe ein: die Entropie, die in realen Systemen solange zunimmt, bis diese den Zustand des thermodynamischen bzw. Wärmegleichgewichts erreicht haben.

Obwohl der so formulierte Zweite Hauptsatz der Thermodynamik nur für abgeschlossene Systeme gilt, übertrug ihn Clausius auf das Universum als Ganzes. »Die Energie der Welt ist konstant«, schrieb er 1865. »Die Entropie der Welt strebt einem Maximum zu.« Es sei daher unausweichlich, dass das Universum irgendwann ins thermodynamische Gleichgewicht gerate, wo überall die gleiche Temperatur herrsche. Sei dieser Zustand erreicht, meinte Clausius, kämen sämtliche Naturprozesse zum Erliegen: Das Universum sterbe den »Wärmetod«. Streng genommen müsste es »Kältetod« heißen, denn die Endtemperatur wäre extrem niedrig.

In der Folge waren viele bedeutende Denker bemüht, unserer Welt ein solch ödes Schicksal zumindest in der Theorie zu ersparen. Nur zwei seien hier genannt: Friedrich Engels und Friedrich Nietzsche, die beide ein zyklisches Universum favorisierten, das sich entweder regelmäßig von selbst erneuert oder in ewiger Wiederkehr des Gleichen gefangen bleibt.

Da sich das Universum nicht als abgeschlossenes System im Sinne der Thermodynamik definieren lässt, wäre zumindest die klassische Wärmetodhypothese hinfällig. Aber auch ein zyklisches Universum ist nach heutiger Kenntnis auszuschließen. Denn neuere Daten zur kosmischen Hintergrundstrahlung legen den Schluss nahe, dass das Universum zu 68,3 Prozent aus dunkler Energie besteht. Davon angetrieben wird es sich auf ewig ausdehnen, und das sogar mit wachsender Geschwindigkeit.

Obwohl niemand weiß, woraus dunkle Energie besteht, haben Astrophysiker die Entwicklung des Universums modelliert. Danach würden in einigen Billionen Jahren die letzten Sterne verglühen. Was am Ende übrig bliebe, wären Schwarze Löcher; aber auch die »verdampften« mit der Zeit - die massivsten nach etwa 10100 Jahren. Fortan enthielte das Universum neben Strahlung niedriger Frequenz nur noch Neutrinos, Positronen und Elektronen, die sich infolge der Expansion so weit voneinander entfernten, dass keine Wechselwirkung mehr stattfände. Zugleich nähme jedes Teilchen die niedrigste von der Quantentheorie erlaubte Energie an. In diesem Zustand maximaler Entropie würde nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft des Universums erlöschen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal