Bürgerbeteiligung hat einen guten Ruf bei den Grünen, der Linkspartei und der außerparlamentarischen Linken. Doch oft ist die Aufforderung zum Mitgestalten eine Mogelpackung, lautet die These des Soziologen Thomas Wagner. Bereits vor zwei Jahren hat er seine Kritik an Modellen der direkten Demokratie als »Deutschlands sanften Weg in den Bonapartismus« in einem im PapyRossa-Verlag in Köln erschienenen Buch theoretisch begründet. Jetzt hat Wagner im gleichen Verlag unter dem Buch »Die Mitmachfalle - Bürgerbeteiligung als Herrschaftsinstrument« seine Kritik erweitert und mit vielen aktuellen Beispielen untermauert.
Prominent hat nach massiven Protesten der vielgelobte Heiner Geißler beim Großprojekt Stuttgart 21 einen Mediationsprozess moderiert, was möglicherweise dazu beigetragen hat, dass das Projekt doch noch gebaut wird. Der CDU-Veteran habe nicht erst am Beispiel Stuttgart erkannt, dass neue Wege gesucht werden müssen, »um die Profitinteressen privater Unternehmen zu wahren und die Eigentumsverhältnisse zu schützen«, schreibt Wagner. Die stark politisierte Bewegung gegen Stuttgart 21 habe gerade einiges über Staat und Kapital gelernt, dieser Prozess sei durch die Mediation weitgehend neutralisiert worden.
Ähnliche Entwicklungen hat es bereits Jahre zuvor bei der Erweiterung der Startbahn West im Rhein-Main-Gebiet gegeben, sagt Michael Wilk, ein früher Kritiker dieser Mitmachkonzepte. Im Gespräch mit Wagner unterscheidet er basisdemokratische Entscheidungsprozesse von solchen, die von Parteien angetrieben wurden. Das Mediationsverfahren am Frankfurter Flughafen beispielsweise bezeichnet Wilk als Befriedungsstrategie.
Des Weiteren unterzieht Wagner die auch bei Politikern der Linkspartei beliebten Bürgerhaushalte einer fundierten Kritik. Das gute Image rühre vor allem daher, dass sie mit dem Modell im brasilianischen Porto Alegre, der Stadt der ersten Weltsozialforen, verknüpft werden. Doch werden Betroffene an den Spar- und Kürzungsdiktaten beteiligt und sollen diese so besser akzeptieren. Daher haben auch unternehmerfreundliche Denkfabriken und die FDP Gefallen an den Mitmachmodellen gefunden, wie Wagner nachweist. Sie erhoffen sich davon eine reibungslosere Umsetzung von Großprojekten.
Deren Gegner sollten daher auf die Austragung von Interessengegensätzen ohne Vereinnahmung sowohl in der Arbeitswelt, am Jobcenter und im Stadtteil stark machen, so Wagners Plädoyer. Sein Buch kann als Ratgeber genutzt werden, um möglichst nicht in alle Mitmachfallen zu stolpern.
Thomas Wagner, Die Mitmachfalle. Bürgerbeteiligung als Herrschaftsinstrument, 160 Seiten, PapyRossa Verlag, 12,90 Euro.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/831487.die-mitmachfalle.html