Künstler, Weltbürger, Kommunist

nd STECKBRIEF - Einer war’s (190)

  • Lesedauer: 4 Min.
Künstler, Weltbürger, Kommunist

Der Sohn eines Philosophen wuchs in bildungsbürgerlichen, aber sehr dürftigen Verhältnissen auf, wie er selbst einmal sagte. Als er drei Jahre alt war, zog die Familie nach Wien. Sein Vater, ein bekennender Atheist, bemühte sich hier um eine Professur an der Universität. Als dies misslang, arbeitete er als Privatgelehrter, der mit seinen Schriften auch in der akademischen Philosophie viel Anklang fand.

Nach der Volksschule ging der von uns Gesuchte auf ein katholisches Gymnasium. Seine Leistungen in den meisten Fächern ließen zu wünschen übrig, lediglich im Fach Turnen bekam er die Note »gut«. Besonders hatte es dem dicklichen Jungen das Fußballspielen angetan, und wann immer er die Zeit dazu fand, kickte er mit anderen Kindern auf der Jesuitenwiese im Wiener Prater.

Ein Jahr vor dem Abitur war seine Schulzeit jäh zu Ende. Er wurde einberufen und musste seinen Kriegsdienst in einem ungarischen Regiment ableisten, nachdem er zweimal wegen Befehlsverweigerung bestraft worden war. Außerdem hielt man ihn für politisch unzuverlässig, da sein Bruder eine Antikriegszeitschrift herausgab. Als er erfuhr, dass in Russland die Oktoberrevolution gesiegt hatte, war er begeistert und hoffte auf ein baldiges Ende seines Soldatendaseins.

Nach Wien zurückgekehrt, ging er zunehmend auf Distanz zu seinen Eltern und lebte mit einer Freundin in einer Militärbaracke. Hatte er sich bis dahin mit Musik nur als Autodidakt beschäftigt, nahm er nun Klavierunterricht und schrieb sich am Wiener Konservatorium ein, wo er unter anderem bei Arnold Schönberg studierte. Da es jedoch schwierig für ihn war, in Wien eine Anstellung als Musiker zu finden, siedelte er mit 27 Jahren nach Berlin über.

Hier arbeitete er als Klavierlehrer und Komponist für Chormusik. Gern wäre er Mitglied der Kommunistischen Partei geworden, doch aus ungeklärten Gründen wurde seinem Antrag nicht entsprochen. Dennoch fühlte er sich der kommunistischen Bewegung eng verbunden und brachte dies auch in seinen Werken zum Ausdruck. Nach der Machtübernahme der Nazis musste er aus Deutschland fliehen. Es folgte eine Odyssee durch mehrere europäische Länder, bevor er in den USA seine Exilheimat fand. Dort war er zunächst als Lehrer an der New School für Social Research in New York tätig. Später ging er nach Hollywood, wo er zum ersten Mal genügend Geld verdiente, um sich ein Haus mieten zu können.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde er fast lückenlos überwacht, wie aus seiner über 600 Seiten starken FBI-Akte hervorgeht. Nach dem Krieg geriet er erneut ins Visier konservativer Politiker, zu denen auch der spätere US-Präsident Richard Nixon gehörte. Er musste mehrere Verhöre über sich ergehen lassen, in denen man ihm vorwarf, Kommunist zu sein. Und obwohl ihm eine Parteimitgliedschaft nicht nachzuweisen war, wurde er trotz mannigfacher Solidaritätsbekundungen aus den USA ausgewiesen.

Zusammen mit seiner zweiten Frau ging er nach Wien, wo er vielerorts auf kalte Ablehnung stieß. 14 Monate ertrug er diesen unwürdigen Zustand. Dann siedelte er nach Ostdeutschland über, ohne allerdings seine österreichische Staatsbürgerschaft aufzugeben. In Berlin erhielt er eine Professur am Staatlichen Konservatorium und wurde zum Ordentlichen Mitglied der »Deutschen Akademie der Künste« gewählt.

Obwohl er als Nationalpreisträger ein hohes Ansehen genoss, fanden nicht alle seine Werke die Zustimmung der SED-Führung. Die oft unsachliche Kritik schmerzte ihn, so dass er, um Abstand zu gewinnen, erneut nach Wien reiste. Doch anders als seine Frau, die wegen eines Geliebten in Österreich blieb, kehrte er nach Berlin zurück. Er ließ sich scheiden und heiratete ein drittes Mal. Sein neues Glück währte indes nur vier Jahre. Dann erlitt er einen Herzanfall, an dessen Folgen er mit 64 starb.

Wer war’s?

Für drei Gewinner dieser Folge stellt der Aufbau Verlag Sonja Friedmann-Wolfs Buch »Im roten Eis. Schicksalswege meiner Familie« zur Verfügung.

Einsendeschluss: 20. September (Poststempel)



Der Schriftsteller, nach dem wir letztes Mal fragten, war: Albert Camus.

Gewonnen haben:
Lieselotte Schwander, Chemnitz;
Gustav Aberle, Jena;
Barbara Grunert, Zossen.

Die Gewinner sind mit der Veröffentlichung einverstanden.

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