nd-aktuell.de / 31.08.2013 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 8

Ohne Toupet

Jürgen Schneider / Ex-Baulöwe und Pleitier wird erneut angeklagt

Jürgen Amendt

Im September 1992 eröffnete in Frankfurt am Main die »Zeilgalerie«, ein Glaspalast mit Einkaufsmöglichkeiten. Alles, was Rang und Namen in der Medienbranche hatte, war zur Eröffnung gekommen und lauschte den Worten des Bauherrn Jürgen Schneider, angesehener Bürger seiner Stadt und Großinvestor. Aber auch ein Blender. 22 000 Quadratmeter Verkaufsfläche habe sein Einkaufstempel, erzählte Schneider damals. Was niemand wissen wollte, aber jeder hätte wissen können, wenn er beim Abschreiten der Ladenzeile kurz überschlagen hätte: Es war nicht einmal die Hälfte der Fläche. Auch die Deutsche Bank - Kreditgeber für die »Zeilgalerie« - hatte nicht nachgerechnet. Dabei wäre das nicht einmal notwendig gewesen: Auf dem Bauschild unweit der Bank-Zentrale war die korrekte Nutzfläche angegeben.

Der Schein war zu schön, als dass er durch die Wirklichkeit zerstört werden durfte. Der Rest ist bekannt. Schneiders Trick, mit dem Geld von Kredit B Kredit A zu bedienen, ging nicht lange gut. 1994 brach das Schneeballsystem zusammen. Schneider floh, wurde gefasst, vor Gericht gestellt und verurteilt.

Jetzt soll sich Schneider wegen Betrugs erneut vor Gericht verantworten. Laut Bonner Staatsanwaltschaft soll er 2008 und 2009 versucht haben, sich unter Vortäuschung falscher Tatsachen Geld von Anlegern zu erschwindeln. Der Vorwurf ist nicht neu, bereits 2010 wurde er erhoben.

Nach seiner Haftentlassung 1999 zeigte sich Schneider geläutert, schrieb ein Buch über sein Leben, erzählte TV-Reportern von seiner schweren Kindheit, in der ein strenger, erfolgsgeiler Vater die Hauptrolle spielte. Äußerliche Insigne der Läuterung: Schneider verzichtete fortan auf das Toupet, mit dem er vorher sein schütteres Haupthaar verdeckt hatte.

Das war mehr als nur ein Zeichen, es war ein Haltungsbeweis: Seht her, ich habe nichts mehr zu verbergen! Im Umkehrschluss heißt das: Toupetträgern sollte man grundsätzlich misstrauen. Hätten doch die oberen Chargen der Deutschen Bank, die bei Schneider früher Schlange standen, so viel Lebensweisheit besessen.