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13. »internationales literaturfestival berlin« mit 164 Autoren aus 47 Ländern

  • Natalya Arensberg
  • Lesedauer: 3 Min.

In manchen Hotels fehlt die 13. Etage, manche Airlines zählen nach der zwölften direkt die 14. Reihe. Gut, dass die Berliner Festspiele und die Macher des »internationalen literaturfestivals berlin« unter dem passionierten Festivalleiter Ulrich Schreiber nur vom Glauben an die Magie der Worte und nicht vom zahlentheoretischen Aberglauben beseelt sind. So präsentiert sich vom 4. bis 15. September 2013 nunmehr im 13. Jahr das ilb dem jungen und alten lese- und debattierfreudigen Publikum der Stadt. 164 Autoren aus 47 Ländern, darunter Stars wie Salman Rushdie, der Literaturpreisträger J. M. Coetzee und Daniel Kehlmann - die beiden letztgenannten mit Premieren ihrer neuen Romane »Die Kindheit Jesu« bzw. »F«.

Natürlich trägt das ilb auch in dieser neuen Ausgabe seinem Anspruch Rechnung, ein politisiertes Festival zu sein. Dafür stehen Lesungen und Debatten mit Martin Winckler (»Es wird leicht, du wirst sehen«), mit Ulrich Blumenbach, der seine Neuübersetzung von »Clockwork Orange« vorstellt, und »mit Swetlana Alexijewitsch, die über den Zerfall der UdSSR geschrieben hat und in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält. Es gibt zwei Abende mit dem renommierten pakistanischen Journalisten und Autor Ahmed Rashid, mit Christos Ikonomou, der Erzählungen aus dem heutigen Griechenland vorstellt («Warte nur, es passiert schon was», siehe nd-Besprechung vom 3.7.2013). Auch mehrere Diskussionsrunden zu den arabischen «Revolutionen» und ihren Folgen, u.a. mit Chalid Al-Chamissi und Shereen El-Feki aus Ägypten stehen auf dem Programm. Auch die seit 2002 organisierte Veranstaltungsreihe «Literatur hinter Gittern» findet ein weiteres Mal statt. Unter anderem gehen Gabi Beltrán und Georg Klein mit ihren Büchern in Berliner Gefängnisse.

Dass sich die Zeiten ändern, zeigt sich nicht zuletzt in neuen «Andere[n] Formen des Erzählens». Graphic Novels und Comics sind aus dem Literaturkanon der Moderne nicht mehr wegzudenken. Das Festival präsentiert dazu unter anderem die Ausstellung «Comics aus Berlin. Bilder der Stadt» und das «Berliner Comic-Manifest, das in Worten, nicht in Bildern den Anspruch eines Genres auf Anerkennung und Förderung manifestiert. Ein spannender Aspekt, der letztlich mitten in die Auseinandersetzung mit der Frage führt, wie weit grafische (Bild-)Künste erläuternder Texte bedürfen, um Kunst zu sein,.

Die Frage, was Kunst ist, werden besonders kritisch die Skeptiker sehen, die beim Wort »Computerspiel« bereits die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Das ilb stellt sich dagegen frech auf den Standpunkt, beim »Gaming« handele es sich um die Literatur der Zukunft, und widmet dem Genre einen ganzen Sonntag (8.9.).

Vor dem gewiss fulminanten Abschluss mit »Tristram Shandy«, ein szenisches Oratorium nach Laurence Sterne mit Musik von Händel, Haydn, Purcell und anderen, vorgetragen von Solisten und zweihundert Sängern der Sing-Akademie zu Berlin und dem Staats- und Domchor, gibt es also einiges zu entdecken, (wieder) zu hören, zu sehen und zu reflektieren. 227 Veranstaltungen, fast überall in der Stadt, mit Schwerpunkt im Haus der Berliner Festspiele in der Schaperstraße. Da dürfte für jeden etwas dabei sein.

Und wer nicht nur genießen, sondern auch mitmachen möchte, sollte der ilb-Einladung zu »Berlin liest« folgen. Nach dem letztjährigen erfolgreichen Start des Aufrufs an die Berliner, sich ihr Lieblingsbuch zu schnappen und am Eröffnungstag (4.9.) zwischen 6 und 17.30 Uhr wo auch immer sie wollen, irgendwo in der Stadt, 15 Minuten daraus vorzulesen, wird die Initiative in diesem Jahr wiederholt.

Also ran ans Bücherregal und raus auf die Parkbank, und dann zu den Lesebühnen. Was gibt es denn Schöneres, als schöne Texte miteinander zu teilen?

Programm und Informationen zum Festival: www.literaturfestival.com

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