Seeleute funken SOS

Aktionswoche: Internationale Transportarbeitergewerkschaft kontrollierte Schiffe

  • Hermannus Pfeiffer, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Hilfe von Hafenbetriebsräten überprüft die Internationale Transportarbeitergewerkschaft seit einigen Tage weltweit Schiffe.

Etwa 1500 Dollar brutto im Monat kriegen einfache Seeleute für 70, 80 Wochenstunden: Das ist der Tarif. Aber viele Reeder zahlen selbst diesen mageren Lohn nicht. Ein Grund, warum die Internationale Transportarbeitergewerkschaft (ITF) sich in den vergangenen Tagen weltweit auf vielen Schiffen Zutritt verschafft hat, um nach dem Rechten zu sehen.

Während der globalen Aktionswoche wurden auch in Hamburg und Bremen, Bremerhaven, Wilhelmshaven und Lübeck, Wismar und Rostock sechs ITF-Trupps eingesetzt. »Wir überprüfen gemeinsam mit Hafen-Betriebsräten die Schiffe«, berichtete Bernd Losch, Leiter der ITF-Billigflaggenkampagne, in Hamburg. Losch, braungebrannt und gelernter Matrose, erklärt, was er und seine Kollegen suchen: »Gibt es einen Tarifvertrag, stimmen die Sicherheitsstandards, wird korrekter Lohn bezahlt und sind die Seeleute richtig eingruppiert?« Ein Koch, der als ungelernter Deckarbeiter bezahlt wird, gehe eben nicht. Mit langer Erfahrung, guter Sprachkenntnis und Laptops bewaffnet, wird das Gespräch mit Kapitän und Mannschaft gesucht, die Schiffstechnik überprüft, werden Verträge gesichtet. Allein in Hamburg liegen vier Schiffe deutscher Reeder im Hafen, die ohne ITF-Tarifvertrag und unter Billigflagge fahren. Da die Reeder vor Anlaufen des Hafens laut Losch »einen freundlichen Brief« zugeschickt bekommen, hat ein Eigentümer noch kurzfristig den Tarifvertrag unterzeichnet. Der erste Erfolg für Losch und seine Teams.

Bereits 1896 wurde die Internationale Transportarbeitergewerkschaft in London gegründet. »Dies war die Antwort auf die zunehmende Globalisierung im Transportbereich«, erklärt Torben Seebold, Bundesfachgruppenleiter in der ver.di-Zentrale in Berlin. In der ITF sind heute Gewerkschaften aus dem Transportwesen in über 130 Ländern zusammengeschlossen, darunter 600 000 Seeleute und 350 000 Hafenarbeiter. Erst das enge Zusammenwirken mit den Hafenarbeitern bringe »die Mächtigkeiten in den Häfen«: Fällt ein Schiff bei der ITF-Inspektion durch, blockieren die Docker, bis der Reeder einlenkt.

Einige hunderttausend Dollar kostete deutschen Reedern das im vergangenen Jahr. 2013 dürften es etwas weniger werden. »Wir ernten hier die ersten Früchte jahrelanger Arbeit«, freut sich Losch. Einen Sonderfall stellen drei Schiffe der dänischen Großreederei Maersk dar, die ITF in Wilhelmshaven »an die Kette legte«. Seit Juli hatte die Matrosen von ihrem marokkanischen Schiffseigner keine Heuer erhalten. Deutsche Gerichte sollen nun den Seeleuten zu ihrem Recht verhelfen.

Durch den Boom im deutschen Außenhandel, staatliche Subventionen und eine clevere Finanzindustrie, die Schiffsfondsanteile an zehntausende Anleger verkaufte, wuchs die deutsche Flotte seit den 1990er Jahren zu einer der größten in der Welt. Trotzdem fahren viele deutsche Frachter unter Billigflagge, was Gebühren und Steuern senkt und, so klagt Seebold, »hauptsächlich die Möglichkeit schafft, Arbeitskräfte zu niedrigen Kosten zu beschäftigen«. Auf Schiffen mit deutschen Eigentümern fahren Seeleute aus 50 Herkunftsländern. Und von den weltweit etwa 10 000 Schiffen unter Billigflagge stammen laut ver.di rund 1000 aus Deutschland. Reeder verteidigen sich häufig mit dem Hinweis auf weit niedrigere Löhne in den asiatischen oder osteuropäischen Heimatländern der Seeleute. Andere Reeder, so ist zu hören, erleben mit Schadenfreude, wenn schwarze Schafe von der ITF bei einer Kontrolle erwischt werden: Schließlich verschaffen sich Dumping-Reeder einen unlauteren Wettbewerbsvorteil.

Helfen könnte auch das UN-Seearbeitsübereinkommen, das in Deutschland 2014 wirksam wird. Dann werden Standards für Arbeitsbedingungen, Bezahlung und Sicherheit gesetzt, die auf vielen Schiffen die Lebensbedingungen verbessern könnten, meint Seebold. »Wir hoffen, dass es sich positiv auf die Seeleute auswirkt.« Wichtig seien dann aber weiterhin Kontrollen durch die Gewerkschaften. Durch das UN-Übereinkommen werden aber erstmals auch die Hafenstaaten in die Pflicht genommen zu kontrollieren.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal