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Götterdämmerung am Robert-Koch-Platz

»Als Magd im Dichter-Olymp« - Christel Berger über die Akademie der Künste der DDR

  • Waldtraut Lewin
  • Lesedauer: 4 Min.

Christel Berger, langjährige Abteilungsleiterin der Sektion Literatur und Sprachpflege an der Akademie der Künste der DDR, beschreibt in ihrem Zweibänder »Als Magd im Dichter-Olymp« Erlebnisse, Erfahrungen, Vorgänge der achtziger Jahre in besagter Sektion, der anzugehören ich selbst von 1986 bis zum bitteren Ende die Ehre hatte.

Christel Bergers Buch ist sehr persönlich - und es ist gleichzeitig um höchstmögliche Objektivität bemüht. Bei alledem ist es spannend wie ein Politkrimi. Ein Mammutwerk, vor dem ich umso mehr Respekt zolle, als Christel Berger mit höchster wissenschaftlicher Akribie arbeitet. Ich war teilweise Zeugin von ihrem Ringen mit dem Stoff und kenne ihre Verzweiflung, alle Präliminarien der wissenschaftlichen Arbeit genau zu erfüllen; die Genehmigung eines einzelnen Zitats durch den Betreffenden (oder, schlimmer, deren Erben) nahm teilweise die Züge einer Odyssee an. Dass sie nicht aufgegeben hat, spricht für sich. Sie wollte dieses Dokument einfach. Und nun ist es da.

Was bekommen wir da zu lesen?

Der erste Band beschreibt Struktur, Aufgabenstellung und Arbeit der Akademie, vor allem die der Sektion Literatur und Sprachpflege, diese in den achtziger Jahren, als Christel Berger dabei war. Er beschreibt Sternstunden und Flops, Kämpfe gegen die Betonköpfe in der politischen Führung mit ihren (winzigen) Erfolgen und ihren (überwiegenden) Niederlagen, die Meriten, das Versagen. Es wird ein Prozess gezeigt, in dem - der Weltlage geschuldet - die Akademiemitglieder immer kühner und die Funktionäre immer verunsicherter wurden.

Aber da war bereits alles zu spät. Als die DDR kollabierte, als das Roll Back, auf das die westliche Welt geduldig, langfristig hingearbeitet hatte, nun endlich stattfand, als sich herausstellte, dass das Gros der Bevölkerung dieses Landes kaum je einen Funken sozialistischen Bewusstseins entwickelt hatte und mit Bananen vom DDR-Baum zu locken war wie jeder beliebige Urwald-Affe, da schlug auch die Stunde des Vorzeigeinstituts Akademie der Künste. Das Debakel war unaufhaltsam.

Aber ich eile voraus …

Große glänzende Namen vereinten sich zur allmonatlichen Sektionssitzung um den Tisch im »Vereinszimmer«. Die Generation der Gründerväter von internationalem Rang war dahin: Keine Anna Seghers, kein Ludwig Renn, keine Alex Wedding oder gar Arnold Zweig mehr - aber die nächste Göttergeneration war auch nicht von schlechten Eltern - und an Eigenwilligkeit und Caprice kaum zu überbieten.

Die »Grabenkämpfe« etwa zwischen Stefan Hermlin und Peter Hacks, diese süffisanten Spitzfindigkeiten, wurden von allen mit Spannung erwartet. Christel Berger beschreibt viele solcher Szenen mit schöner Genauigkeit. So weit, so gut. Aber deswegen tritt ja nun keine Akademie zusammen.

Was in aller Welt taten sie? Oder, man muss die Frage anders stellen: Was konnten sie tun?

Die Institution war ins Leben gerufen worden, um die Regierung in Fragen der Kulturpolitik zu beraten. Wenn sie diese Aufgabe wirklich wahrnahm, gab es zwei Möglichkeiten: Entweder, man nahm ihre Meinung nicht zur Kenntnis. Oder die Berater kriegten eins auf den Deckel. (Beispiele lese man in den detailreichen Berichten der Sitzungen nach.) Kulturpolitische Aktivitäten größeren Ausmaßes, wie Lyrikveranstaltungen, wurden einfach »von oben« untersagt, und die Förderung des poetischen Nachwuchses scheel angesehen. Allein Peter Hacksens workshops zur Dramatik sind mir in Erinnerung als wirkliche »Arbeitssitzungen«.

Dann kam das, was man gemeinhin als »die Wende« bezeichnet. In den zahlreichen Aussprüchen von Mitgliedern, die Christel Berger zitiert, von Christa Wolf angefangen, wird klar, dass man an einen reformierten Sozialismus glaubte. Keinesfalls an die Eliminierung der DDR …

Die Versuche, Ost- und Westakademien Berlins zu vereinen, erwiesen sich sehr bald trotz guten Willens von beiden Seiten als zum Scheitern verurteilt. Jetzt wehte ein anderer Wind. Dass man die Mitglieder der Vorzeige-Organisation des vereinnahmten Staates bloßstellen und depravieren wollte, verstand sich eigentlich von selbst. Ein Haupt nach dem anderen wurde seines Lorbeers beraubt; Stasi, Stasi, Stasi, biographische Lügen und, und, und. (Hacks kam ungeschoren davon, übrigens.) Nun, man lese nach.

Der zweite Band von Christel Bergers Buch ist fünf ihrer »Götter« bei der Arbeit gewidmet: Hermlin und Fühmann, Rücker, Hacks und Lewin. Das sind genau beobachtete und mit viel Liebe gestaltete Miniaturbiografien, die Gott sei Dank die subjektive Sicht der Autorin wiedergeben. Wie dieses Sich-Einbringen, ihr Hinterfragen und behutsam Urteilen, mit zu den großen Stärken dieser Arbeit gehört.

Christel Berger: Als Magd im Dichter-Olymp. Die Arbeit der Sektion Literatur und an der Akademie der Künste der DDR in den achtziger Jahren. Edition Schwarzdruck. 844 S., br., 39 €.

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