nd-aktuell.de / 09.09.2013 / Politik / Seite 5

Systemvergleich: (Teil 7)

Wer wie viel zahlen soll 
und warum

Marian Krüger

Ein Blick in die Wahlprogramme aller Bundestagsparteien - mit Ausnahme der FDP - zeigt: Die Steuersenkungspolitik des zurückliegenden Jahrzehntes ist out. Das Programm der SPD trägt in diesem Teil eine linke Handschrift. Sie will den Spitzensteuersatz wieder erhöhen, die Vermögenssteuer wiederbeleben und eine Finanztransaktionssteuer einführen. Erben sollen stärker zur Kasse gebeten, Managergehälter und Boni nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden können. Sie stellt auch die Abschaffung der steuerlichen Privilegierung der Kapitalerträge in Aussicht. Und natürlich sollen auch die schwarz-gelben Steuergeschenke, vor allem für das Hotelgewerbe wieder abgeschafft werden. Für solche Pläne stehen derzeit jedoch nicht die Sozialdemokraten, sondern vor allem die Grünen am Pranger, deren besser verdienendes Klientel lauter zu murren beginnt.

Auch der Wirtschaft gefallen die Vorhaben nicht. Diese Pläne, so der Chef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Eric Schweizer, seien »hochgefährlich für den Standort Deutschland.« Vor einigen Tagen haben einige Unternehmer in der »FAZ« Modellrechnungen präsentiert, die sie am Abgrund zeigen, sollten die rot-grünen Steuerpläne Wirklichkeit werden. Das Darmstädter Unternehmen Merck beziffert die Mehrbelastungen allein durch die Vermögenssteuer auf 260 Millionen Euro, was den »Bestand von Merck als Familienunternehmen gefährdet«. Diese Furcht ist jedoch wenig berechtigt, nicht nur weil es mit Merck eben kein Familienunternehmen trifft, sondern einen DAX-Konzern, der nicht einer Familie sondern einer Vielzahl von Investoren, darunter Morgan Stanley gehört. Merck machte 2012 10,7 Milliarden Jahresumsatz und einen Jahresüberschuss (nach Steuern) von 709 Millionen Euro.

Doch die Angst kann sich wohl in Grenzen halten: Sind es SPD und Grüne doch selbst, die den besten Schutz vor ihren eigenen Steuerplänen bieten, da sie auf deren Durchsetzung verzichten, wenn sie dafür eine Koalition mit der LINKEN bilden müssten. Dabei zeigt ein Blick auf die Programme der drei Parteien hier eine beachtliche Schnittmenge. Zweifellos gehen die Forderungen der Linkspartei am weitesten. Sie verbindet jedoch ihre Steuererhöhungen für besser Verdienende, Vermögen und Unternehmen mit einer Entlastung nicht nur der unteren, sondern auch der mittleren Einkommensgruppen bis 6000 Euro.

SPD, Grüne und LINKE wollen neue Investitionen, nicht zuletzt auch in Bildung und Wissenschaft und einen Ausbau der Grundsicherung für ältere Menschen. Die LINKE verbindet dies mit ambitionierten Sozialprogrammen zur Bekämpfung der Armut in Deutschland. Grüne und LINKE wollen mit einer Vermögensabgabe zugleich ein im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehenes Instrument zur Verringerung der Bundesschulden einführen. SPD und Grüne versprechen den Kommunen einen Entschuldungspakt, die LINKE will deren Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die zur kommunalen Wirtschaftssteuer umgestaltet werden soll, erhöhen.

Die Union verzichtet darauf, ihre Wähler mit unnötiger Komplexität in der Darlegung der öffentlichen Finanzlage zu überfordern. Bereits im Mai dieses Jahres richtete sie einen opulenten Gabentisch mit sozialpolitischen Präsenten im Gesamtwert von 28,5 Milliarden Euro an. Der Grundfreibetrag für Kinder soll auf das Niveau der Erwachsenen angehoben, die Mütter- und Erwerbsunfähigkeitsrenten sollen steigen. Eine Kindergelderhöhung gibt es auch noch. Im Programm stellt sie dann lediglich klar, dass sie das alles ganz ohne Steuererhöhungen schaffen, genauso wie sie die Schulden ganz ohne Vermögensabgabe abbauen will. Auf genaue Angaben zu irgendwelchen Steuereinahmen verzichtet sie ganz.

Nur LINKE und Grüne werden hierzu konkret. Aber auch die CDU kann rechnen. Zu Weihnachten 2012 sickerten Planungen aus dem Finanzministerium durch, wie sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) künftige Bundeshaushalte vorstellt. Weitgehende Abschaffung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes, Kürzung des Zuschusses zum Gesundheitsfonds, Kürzung der Witwenrente, Einführung eines Gesundheitssoli als Zuschlag auf die Einkommensteuer. Im Übrigen hat niemand die Absicht, die Umsatzsteuer zu erhöhen, wie Finanzminister Schäuble unlängst erklären ließ.

Auch die FDP liebt Geschenke und stellt die Abschaffung des Solidaritätszuschlages bis Ende 2017 in Aussicht. Das ist eine Steuersenkung von 13,6 Milliarden Euro. Pro Jahr. Und jeder, der Zweifel an der programmatischen Verlässlichkeit der Liberalen hatte, wird nun eines besseren belehrt, die FDP will langfristig einen Stufentarif bei den Steuern, was nichts geringeres bedeutet, als die Abschaffung des Progressionsprinzip in der Steuerpolitik. Natürlich hält die FDP strikt am Kurs des Schuldenabbaus und der Konsolidierung der Staatsfinanzen fest.