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Frau Merkel und zwei CDU-Plakate

  • Jörg Ratzsch, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn Angela Merkel am Wochenende Zeit hat, verlässt sie Berlin. Eine gute Stunde Fahrt nach Norden, dann liegt die Politik hinter ihr. Im Wochenendhaus in der Uckermark schaltet die Kanzlerin ab, wird Gemüsegärtnerin und kocht deftige Hausmannskost. Die Uckermark »ist im eigentlichen Sinn auch heute noch Heimat für mich«, hat Merkel mal gesagt.

Die Region ist dünn besiedelt. In Templin wohnen knapp 17 000 Einwohner. Hier wuchs Merkel auf, hier ging sie zur Schule. Das Elternhaus am Stadtrand ist gelb und grün gestrichen: »Haus Fichtengrund« im Waldhof. Eine Siedlung, in der heute noch Menschen mit geistiger Behinderung betreut werden. So wie damals, als Merkels Vater, der Pfarrer Horst Kasner, evangelische Geistliche auf dem Gelände schulte.

»Im Haus erinnert nicht mehr viel an die heutige Kanzlerin, höchstens noch der Geist«, sagt Pfarrer Uwe Eisentraut, der den Waldhof heute leitet. Die Wohnung im ersten Stock wurde aufgeteilt, besteht jetzt aus mehreren Einheiten. Manchmal komme Merkel her und zeige einem Staatsgast oder anderen Besuchern das Elternhaus. Dann tauche plötzlich eine schwarze Limousine auf, sei aber auch schnell wieder verschwunden. Mit dem Namen Kasner weiß in Templin fast jeder etwas anzufangen. Merkels Mutter Herlind lebt hier. Die Englischlehrerin ist 85 und unterrichtet noch an der Volkshochschule. Für diesen Herbst kann man mit ihr »Let's go on learning English« buchen.

Auf dem Marktplatz sind die Meinungen geteilt. Manche finden es gut, dass Merkel die Uckermark bekannter machte. Andere winken ab. »Lassen Sie mich bloß mit der in Ruhe«, schimpft eine ältere Frau. Eine andere zuckt mit den Schultern: »Mir ist das eigentlich egal. Irgendwo muss Frau Merkel ja herkommen.«

»Typisch für den Menschenschlag hier - und ich glaube auch für Frau Merkel - sind eine gesunde Zurückhaltung und eine abwartende Haltung«, sagt Templins Bürgermeister Detlef Tabbert (LINKE). Viel Privates über die Kanzlerin ist wohl auch deshalb nicht herauszukriegen in ihrer alten Heimat. Schmunzelnd erinnert sich Pfarrer Eisentraut, wie Merkels Mutter mal von einem Journalisten nach ihrer Tochter gefragt wurde und ausführlich erzählte. Erst nach Minuten wurde klar, dass die Mutter nicht über Angela, sondern über die kleine Schwester Irene redete und über deren Karriere als Ergotherapeutin.

Wenn die Kanzlerin in Templin ist, geht sie »ganz normal« im Supermarkt einkaufen, erzählen viele. Sie halte auch mal einen Plausch. Ihr Wochenendhaus steht in einem Dorf östlich von Templin: 20 Häuser, ein See, eine kleine Dorfstraße und zwei Wahlplakate von der CDU. Eine 74-jährige Nachbarin lässt sich einige Sätze entlocken: Merkel »wird hier geachtet und nicht belästigt, wenn sie zum Beispiel zum Badestrand geht.« Ob es Merkel, wenn sie irgendwann nicht mehr Kanzlerin ist, dauerhaft zurückzieht in ihre alte Heimat? Templins Bürgermeister Tabbert weiß nichts von solchen Plänen. Er sagt aber: »Es würde mich freuen, wenn sie wieder nach Templin zurückkommt.«

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