nd-aktuell.de / 14.09.2013 / Kultur / Seite 26

Frank Elstner, erlöse uns!

MEDIENgedanken: Wahlkampfspots zum Fremdschämen

Lukas Wilhelmi

Fünf Musiker im besten, Bruttoinlandsprodukt-steigernden Alter stehen in einem Tonstudio. Sie drücken oder zupfen ihre glänzenden Instrumente in zuckersüßer Vierviertel-Einigkeit, sind aber vor allem darauf bedacht, dass ihnen ihr Lächeln nicht aus dem gepflegten Gesicht fällt. Ein Keyboard klimpert, es rasselt, es schnattert, der Bass ist kinderfreundlich runterproduziert. Da, wo Wahlen gewonnen werden, also in der Mitte, steht eine hübsche Dame. Jeans, weißes Oberteil, dunkelblond. Eine junge Marianne Rosenberg, die manchmal, ganz crazy, nicht mehr an sich halten kann und die Luft(akustik)gitarre raus holt. Sie singt: »Dies ist das Leben. Wir wollen viel und alles geben. Die Welt ist Liebe, Leben und wir. Ich will es schaffen, ich kann es nur mit dir, mit dir.« Und weil das so ist, geht abschließend auch noch der obligatorische, aber gut gemeinte Zeigefinger in die nicht weiter definierte Welt.

Das alles wäre ja ganz hervorragend zu ignorieren, wenn da nicht der Titel dieses Videos wäre: »An jedem neuen Tag. CDU-Wahlkampfsong 2013«. Das kann doch nicht echt sein, fragt man sich. Gleich kommt bestimmt Frank Elstner ins Bild und nimmt uns alle in den Arm. Alles nur Spaß, da, seht ihr, die Kamera, da hinten. Bitte! Oder Urban Priol, der Typ mit Kittel und Einstein-Frisur aus dem ZDF rettet uns.

Doch niemand kommt. Nur noch einmal der Refrain: »Das ist, was ich will, mit dir in diesem Land. Wir können es schaffen, ich geb› dir meine Hand.« Und eine Überblendung zur Texttafel: »Gemeinsam erfolgreich. CDU«

Die Politik hat der Satire den Rang abgelaufen. »Zukunft ist gut für alle!« forderte Dr. Udo Brömme (CDU) vor einigen Jahren. Auch wenn er eigentlich Ralf Kabelka heißt und für die Harald-Schmidt-Show schrieb. Doch in Bayern verspricht Christian Ude (SPD) auf seinen Plakaten, er würde »Wort halten« und hält dabei eben jenes Wort als dreidimensionales Lego-Etwas in der Hand. Was ist hier denn noch ernst gemeint, sagen Sie es mir? Ich warte immer noch auf Frank. Oder meinetwegen auch auf Guido Cantz.

Es sind Wahlen. Also laufen Wahlspots und es hängen Bilder von Gesichtern an den Straßenlaternen. Irgendwo stehen ein paar B-Promis mit Baseball-Caps und sagen jungen Menschen, dass »deine Stimme zählt«. Da ist jede Aufregung recht, um den pulslosen Patienten Demokratie zurück ins Leben zu holen. Die FDP, oder besser: Die PR-Agentur der FDP hat zum Beispiel die gleichen Bilder einer glücklich radelnden Kernfamilie in ihren Spot geschnitten wie die NPD. Blöd. Und es endet ja nicht dort. Ein finnischer Quark wird ebenfalls mit den vier Sonntagsfahrern beworben. Verdammte Ausländer, jetzt nehmen die uns auch noch die Klischees weg! Auch wenn der eigentliche Skandal des Spots ja FDP-Frontman Rainer Brüderle ist, der sagt: »Menschen, die hart arbeiten, denen darf man nicht die Butter vom Brot nehmen« - und dabei eben solche auf die Stulle haut.

Ja, überall wird gefrühstückt. Deutschland ist stark, sagt die Regierung und ungerecht verteilt, sagt die Opposition. Menschen singen, lachen, sitzen am Strand (sehr einfallsreich, liebe Piraten). Und überall Betriebe, Lagerhallen, Leute mit Schutzbrillen und Helmen. Die SPD stellt den hart Schuftenden ein Rednerpult in den Garten, die Kita oder vor den Dauercampingplatz und die Grünen verweisen Merkel mit Loriot ins Tierreich. Was sich einer gewissen Ironie nicht erwehren kann, dass gerade die Grünen dafür plädieren, das ökologische Gleichgewicht zu zerstören, aber gut.

Denn genau darum geht es. Bloß den Ablauf nicht stören. Niemand trifft seine Wahlentscheidung anhand hübsch versteckter Geheimratsecken. Genauso stellt es auch kein wirkliches Problem dar, dass alle diese TV-Spots in der Maßeinheit Fremdschämen gewertet werden. Die Plakate erzählen, dass bald wieder Wahlen sind. Die ganze Chose hat nur den Zweck des Protokolls. Und diesem ist es inhärent, dass es keine Abweichungen duldet. Und jeder, der abweicht, ist ein Nestbeschmutzer. Er nervt. Er stört die Idylle, die uns scheinbar alle umgibt.

Haben die PR-Agenturen den Wahlkampf übernommen, weil die Verpackung mittlerweile mehr zählt als der Inhalt? Oder haben wir uns wirklich auf die meisten Inhalte geeinigt, so dass es letztlich nur noch eine Frage des Handwerks ist, wer Inhalte am besten für sich vereinnahmen kann? Weil Syrien, Ägypten, Griechenland und NSA-Hauptzentrale geografisch wie intellektuell viel zu weit weg sind und letztlich nur die eine Frage zählt: Wie bleibt alles genauso, wie es ist? Ah, genau, indem wir einfach nichts machen - dass aber immer wieder. Eine fröhliche Band, die was von Träumen singt, hat dabei noch nie geschadet.

Der Autor ist freier Journalist und Autor. Er arbeitet und lebt in München.