Eine Partei lässt sich bitten

Vor ihrem Parteikonvent am Freitag ziert sich die SPD als wahrscheinlicher Koalitionspartner der Union

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Wirklich spannend ist die Bundesregierungsbildung kaum: Von den möglichen Koalitionsoptionen scheint die schwarz-rote weitaus wahrscheinlicher - vielleicht schon deshalb, weil sich Unionsgrößen wie der Möchtegernminister Hermann Gröhe in Richtung der Grünen jüngst so sehr in die Brust geworfen haben.

Denn es ist zwar so, dass viele in der Ökopartei ihren Spitzenmann nun bestrafen wollten. Doch dürfte Gröhes Einlassung, mit »einem Mann wie Jürgen Trittin« könne es »keine Gespräche« geben, kaum zur schwarz-grünen Entspannung beigetragen haben. Auch wenn Trittin nicht als Fraktionschef weiterarbeitet, macht man seine Wäsche doch lieber selbst. Und wenn jetzt noch CSU-Chef Horst Seehofer mit dem Satz vorprescht, er werde »keine Gespräche mit Grünen« führen, scheint vieles auf eine große Koalition zuzulaufen - zumindest für die Union, deren Fraktionschef Volker Kauder die SPD im Nachrichtensender Phoenix die »inhaltlich richtige Präferenz« nannte und nun Druck auf die SPD macht: Europa warte nicht auf die Regierungsbildung!

Doch Merkels Wunschpartner ziert sich, zumindest bisher. Am Freitag wollen die Genossen auf dem bereits vor der Wahl anberaumten Parteikonvent entscheiden, wie sie nun weiter vorgehen. Und wenigstens bis dahin ist die sozialdemokratische Sprachregelung überaus defensiv: Nicht einmal Sondierungsgespräche wollte man bislang ohne das Placet der Partei zusagen.

Schauspiel des Verweigerns

Den Startschuss zu diesem Schauspiel des Verweigerns gab am Montag Parteichef Sigmar Gabriel: Man stehe »nicht Schlange« vor Angela Merkels Haustür, der »Ball« liege in deren Feld. Dieses Sprachbild wurde vielfach aufgegriffen, zum Beispiel von der ehrgeizigen Schweriner Sozialministerin Manuela Schwesig, der selbst schon seit geraumer Zeit Ambitionen auf ein Bundesministerium nachgesagt werden. Aber auch andere Spitzensozialdemokraten mühen sich um rhetorische Distanz. Der Parteirechte Johannes Kahrs vom Seeheimer Kreis etwa tippte öffentlich auf Schwarz-Grün: Die Gleichstellung von Lesben und Schwulen gehe nicht mit Merkel - wie auch die Energiewende. Mit den Grünen, so Kahrs, sei es für die CDU einfacher.

Mag dieses Berliner Gerassel bereits zum Verhandlungsgeschäft gehören, scheinen sich auf Länderebene ernsthafte Widerstände zu ergeben. Der Verband aus dem Parteistammland Rheinland-Pfalz etwa lehne eine Mehrheit der Basis eine große Koalition ab, weiß Landesvorsitzender Roger Lewentz, der dies am Freitag auch deutlich machen will.

Auch aus dem wichtigen und großen Rot-Grün-Land Nordrhein-Westfalen kommen skeptische Töne: Während sich Landeschefin und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die selbst schon oft als Merkel-Herausfordererin der Zukunft gehandelt wurde, an »Inhalten« orientieren und nicht mit »wehenden Fahnen« in eine Merkel-Koalition gehen will, erklärte ihr Landtagsfraktionschef Norbert Römer laut »Spiegel Online« recht apodiktisch, man strebe »keine große Koalition an« und es werde »am Ende auch keine geben«.

Nicht den Hauch einer Ambition

Zugleich wurden in der Partei am Dienstag erste Stimmen laut, die konkrete Bedingungen für eine Regierungsteilnahme formulieren. Laut Martin Schulz, dem obersten Sozialdemokraten im Europaparlament, werde Merkel ihre Europapolitik des »Sparens« in einer Koalition mit der SPD »nicht weiterführen« können.

Der Stuttgarter Landesparteichef Nils Schmidt fordert derweil mit einigem Nachdruck eine Mitgliederbefragung zumindest über das Ergebnis eines möglichen Koalitionsvertrages. Damit habe man im Land gute Erfahrungen gemacht. Der Parteikonvent solle das verbindlich in die Wege leiten.

Anders, als konservative Politiker und Medien vor der Wahl unermüdlich an die Wand gemalt hatten, gibt es offenbar auch weiterhin nicht den Hauch einer Ambition in der Sozialdemokratie, die bestehende Mehrheit links der Mitte wahrzunehmen oder auch nur ansatzweise zu sondieren. Gegenüber dem »Spiegel« sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil aber immerhin, das könne sich womöglich ändern. Doch dafür müsse sich vor allem die Linkspartei verändern.

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