Terror und Tristesse

»In the Darkroom« von Nadav Schirman

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Wo sich die Kreise der Zeitläufe so schließen. In Neu-Ulm etwa. Einst konnte es ein Provinzmädchen nicht abwarten, hier auszubrechen. Heute ist das Kaff im Schwabenland für Magdalena Kopp wieder Lebensmittelpunkt. Vielleicht ist gerade das stimmig, wenn die Zwischenstationen Damaskus, Palästina, Bagdad oder Caracas hießen. Vielleicht kann nur die Enge der einst verfluchten Heimat eine Balance wiederherstellen, die wegen eines allzu schnellen Lebens auf der Flucht abhanden gekommen ist: Magdalena Kopp war die Ehefrau des Terroristen Ilich Ramírez Sánchez, genannt »der Schakal« oder Carlos. In der Dokumentation »In the Darkroom« wird sie vom israelischen Regisseur Nadav Schirman porträtiert.

Kopp wollte immer Fotografin werden. Jedenfalls erzählt sie das heute. Glaubt man jedoch ihrer Schwester, war auch dieser Berufswunsch - wie viele andere Lebensentscheidungen - vor allem den Wünschen des jeweiligen Mannes an ihrer Seite geschuldet. Kopp verfolgte dennoch zielstrebig jene Profession. Und darum fand Carlos' erste (vergebliche) Annäherung an sie in einer Dunkelkammer (»Darkroom«) statt.

»In the Darkroom« - der Titel kling nach »Im Toten Winkel«, ein Dokumentarfilm über Hitlers letzte Sekretärin. Die Parallele zwischen den Geschichten könnte die der unbedarften, unpolitischen jungen Frau vom Lande sein, die von der Weltgeschichte mitgerissen wird - diesem Sog aber auch keinen Widerstand entgegensetzen will oder kann.

Alles andere als brilliant oder charismatisch

Kopp erscheint zumindest heute alles andere als brillant oder charismatisch. Man fragt sich, welchen Narren Carlos wohl an ihr gefressen haben mag. Er, der Macho und spätestens seit der Geiselnahme der OPEC-Führer 1975 Superstar der neuen internationalen Terrorszene. Und was wiederum sie an dem Auftragsmörder faszinierte. Ihren heutigen Aussagen nach zu urteilen, beeindruckte Carlos sie vor allem als Macher, Befehlshaber, Militär.

Verliebt war sie scheinbar nie. Auch von seiner »Revolution« scheint sie alles andere als überzeugt. Zwar geriet sie als hungrige 20-Jährige zufällig in den Dunstkreis der »Revolutionären Zellen« (RZ) in Frankfurt am Main. Den Kampf der RZ kann sie aber (verständlicherweise) nicht nachvollziehen. Eher schildert sie das Abdriften an Carlos' Seite in den Untergrund wie eine Naturgewalt. Ex-RZ-Mitglied Hans Joachim Klein bezeichnet sie wegen dieser Darstellung jedoch als »Märchentante«.

Der Film macht keinen Spaß. Insofern unterscheidet er sich wohltuend von knalligen »Schakal«-Features, die in schnellen Schnitten von Carlos das Bild eines terroristischen Popstars zeichnen. Schirmans Film schlägt eher in die andere, allzu nüchterne Richtung aus. Außerdem sollen merkwürdige, lange Schweige-Einstellungen, oder das trotzige Ziehen an der Zigarette wohl Nachdenklichkeit suggerieren, produzieren aber nur Leere.

Keine positive Identifikationsfigur

Es gibt - und das macht den Film richtig anstrengend - in ihm keine positive Identifikationsfigur. Alle Beteiligten haben sich zu ihren eigenen Karikaturen entwickelt: Kopp, Klein, Carlos oder auch dessen ehemalige palästinensische Verbindungsleute.

Vielleicht ist diese Entzauberung der tiefere Sinn, das versteckte Anliegen des Regisseurs: den Terror von jeglichem falschen Glamour zu befreien, die Tristesse, Selbstverliebtheit und strategische Dummheit der Beteiligten offenzulegen. Für den Zuschauer ist das jedoch nur zum Teil ein Gewinn.

Nur Magdalenas und Carlos’ Tochter Rosa ist scheinbar unbeschädigt. Um so mehr leidet man mit ihr, als sie sich auf die Spuren des Vaters begibt, den sie seit Jahrzehnten nicht gesehen hat. Vor ihrem Besuch im Gefängnis. schildert sie, welche Situation sie am meisten befürchtet: Dass Carlos sich in großspurigen Tiraden über die Revolution und seine eigene Bedeutung verlieren würde, dass er seinem Kind keine Entschuldigung, ja nicht einmal Interesse gönnt. Die Kamera ist bei dem Treffen leider nicht dabei. Doch es braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, was die Tochter dann auch bestätigt: Der alte Kämpfer ist nur noch ein selbstbezogener Schwätzer.

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