nd-aktuell.de / 01.10.2013 / Sonntagsschuss / Seite 1

Von Medien und Mechanismen

Christoph Ruf
Eintracht Braunschweig steigt ab, das steht mal fest. Trotzdem sollte der Verein mit Torsten Lieberknecht in die Zweite Liga gehen. Weil es zwei Dinge nicht gibt: Zum einen einen besseren Trainer für die Eintracht. Und zum anderen eines der dümmsten Worte, das die Medienbranche je flatuliert hat.

Eintracht Braunschweig hat 0:4 gegen den VfB Stuttgart verloren. Wer den Aufsteiger kicken sieht, muss es wahrscheinlicher finden, dass sich die Eintracht freiwillig im November vom Spielbetrieb abmeldet, als dass dieser Mannschaft doch noch mal irgendetwas Trostspendendes widerfährt. Die Eintracht wird absteigen.

Man kann ihr allerdings nur wünschen, dass sie bis dahin so ruhig bleibt wie sie dem Vernehmen nach im bisherigen Saisonverlauf auch geblieben ist. Torsten Lieberknecht, der Trainer des unfähigen aber bemühten Ensembles, ist ein hervorragender Mann, ohne den der Verein garantiert nicht aufgestiegen wäre, ja vielleicht sogar immer noch in der Drittklassigkeit kicken würde. Doch es geht hier nicht um welkenden Lorbeer, sondern um die neue Ernte. Die Eintracht ist eine hochmotivierte, taktisch jedesmal von Neuem gut aufgestellte Mannschaft, die den Kopf nicht hängen lässt und nur ein einziges Problem hat: Dass eine Mannschaft eben manchmal doch etwas mit der Summe ihrer Einzelbestandteile zu tun hat.

Und die individuelle Qualität ist nun mal kein Meister aus Braunschweig. Kollege Lieberknecht wird da also weiter an seine Grenzen stoßen, mit Glück aber ein paar Kniffe einstudieren, die in der kommenden Saison hilfreich sein können, wenn es wieder gegen Teams geht, bei denen alles doch etwas gemächlicher vonstatten geht als beim VfB Stuttgart. Allerdings sind die Grenzen, an die Lieberknecht in der ersten Liga stößt, exakt die, an die auch Pep Guardiola stoßen würde, wenn er auf die Idee käme, wie weiland Paul Breitner des Jägermeisters wegen von der Säbener Straße in München zum Stadion neben der Aral-Tankstelle zu ziehen.

Was sollen das überhaupt sein, diese »Branchenmechanismen?« Die werden schließlich immer beschworen, wenn Medienmenschen den Leuten erklären wollen, warum so ein Trainerrauswurf gerade das Nonplusultra sei. Wirken da im Äther Mächte wie die Schwerkraft, der Magnetismus, die Fliehkraft? Irgendetwas, das nun einmal da ist, nicht zu steuern vom Gewürm namens Mensch? Eigentlich nicht, stattdessen wirkt eine Medienkohorte, deren Wirken leider zuweilen wenig willensgestört, sondern tatsächlich mechanisch wirkt. Die Branchenmechanismen sind also die Medienmechanismen. Und die gestalten sich so: Wenn das erste Spiel verloren wurde, guckt man als Journalist bedenklich aus der Wäsche, beim zweiten stellt man bescheuerte Fragen und beim dritten fordert man »Konsequenzen«. Abgesehen davon, dass die »Konsequenzen« nur der Ausdruck der Tatsache sind, dass man zu feige ist, gleich ausdrücklich den Skalp des Trainers zu fordern. Der könnte einem morgen ja doch noch mal über den Weg laufen.

Ich habe am Wochenende mal ein paar Kollegen nach ihrer Meinung gefragt: 100 Prozent Zustimmung für die originelle These, dass Braunschweig nächstes Jahr wieder gegen Paderborn, Aalen oder Sandhausen spielt. 100 Prozent Zustimmung für Torsten Lieberknecht.

Allerdings kam bei jedem zweiten Kollegen dieser Nachsatz: »Aber so langsam müssen sie mal was tun...«