Der Fluch des frühen Ruhms

nd STECKBRIEF - Einer war's (191)

  • Lesedauer: 3 Min.

Der älteste Sohn eines Kaufmanns wuchs in wohlhabenden Verhältnissen auf. Er besuchte das Gymnasium, denn nach dem Willen seiner Eltern sollte er später Jura studieren. Mit 17 Jahren brach er die Schule jedoch ab und nahm in Dresden eine Buchhändlerlehre auf, ausgestattet mit einem opulenten Taschengeld. »Theater, Konzerte, Cafés, Puffs - das Leben ist doch zu amüsant!«, teilte er einem Freund mit.

Nachdem er auch seine Lehre abgebrochen hatte, volontierte er beim S. Fischer Verlag in Berlin und besuchte nebenher Vorlesungen an der Universität. Während dieser Zeit starb sein Vater, in dessen Testament es hieß, dass der literarischen Neigung seines Ältesten unbedingt entgegenzutreten sei. Denn ihm fehlten dazu die Voraussetzungen: »Studium und umfassende Kenntnisse«.

Doch es kam anders. Das Schreiben wurde zur großen Leidenschaft des von uns Gesuchten. Bereits mit 23 Jahren veröffentlichte er seinen ersten Roman, den allerdings seine Mutter finanziert hatte. Anschließend wurde er Herausgeber einer nationalkonservativen Monatsschrift, die stark antisemitisch geprägt war, weswegen er diese Episode seines Lebens später mit Schweigen bedachte.

Ein Roman über die Liebe, den er mit Anfang 30 verfasste, fand in der Presse ein eher mäßiges Echo. Was ihn jedoch am meisten verletzte, war die Kritik seines ebenfalls schreibenden Bruders, der die Romanhandlung für »verzerrt« und »schreiend übertrieben« hielt. Gleichwohl dachte er nicht daran, die Schriftstellerei aufzugeben. Der Erfolg gab ihm recht. Denn zum Verdruss seines Bruders landete er, wie man heute sagen würde, einen Bestseller, der später auch als Film die Kinos der Welt eroberte.

Er war nun ein berühmter Mann. Mit 43 Jahren heiratete er eine tschechische Schauspielerin und ließ sich mit ihr in München nieder. Im selben Jahr begann der Erste Weltkrieg. Und während er sich entschieden gegen die Kriegsbegeisterung seiner Landsleute wandte, schlug sein Bruder deutschnationale Töne an. Er brach daher den Kontakt zu ihm ab, und es dauerte acht Jahre, bis beide sich wieder versöhnten. In der Zwischenzeit hatte er sein zweites erfolgreiches Werk veröffentlicht, das sich in den ersten Wochen nach seinem Erscheinen hunderttausendmal verkaufte.

Nach der Trennung von seiner Frau, der Mutter seines einzigen Kindes, siedelte er nach Berlin über, wo er zum Präsidenten der Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste ernannt wurde. Als die Nazis die Macht in Deutschland übernahmen, emigrierte er nach Frankreich, in das Land, das er stets bewundert hatte. Er lebte in Nizza, wo er mit 68 Jahren eine Bardame aus Berlin heiratete.

Nachdem die Wehrmacht in Frankreich einmarschiert war, flohen er und seine Frau über Lissabon in die USA. Doch das Land seines Exils und dessen Kultur blieben ihm fremd. Und auch die erhofften Aufträge fielen eher mager aus. Zuletzt musste er mit einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Kalifornien vorliebnehmen. Zwar schickte ihm sein Bruder monatlich einen Scheck. Weil das Geld aber nicht reichte, arbeitete seine Frau zeitweilig als Küchenhilfe. Nach ihrem frühen Tod - sie nahm sich mit 46 Jahren in einer psychiatrischen Klinik das Leben - fand er nur langsam wieder zur inneren Ruhe.

Gegen Ende des Krieges schrieb er seine Memoiren, die später in Stockholm veröffentlicht wurden. Ansonsten sei seine Welt »nur noch ein Totenacker«, ließ er einen Freund wissen. Dann jedoch erreichte ihn frohe Kunde aus Deutschland. Die DDR hatte ihn zum Präsidenten der Akademie der Künste ernannt. Obwohl er glaubte, dass man ihn nur herumzeigen wolle, plante er seine Rückkehr nach Berlin. Doch das Schicksal war schneller. Eines Morgens fand ihn seine Pflegerin tot im Bett, nach einem langen Abend friedlich an einer Hirnblutung gestorben. Er wurde 78 Jahre alt.

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