Kein Platz für Anspruchsvolles

MEDIENgedanken: Zukunft der Filmförderung

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 4 Min.

Es war ein Kampf, den Andreas Kannengießer nicht gewinnen konnte. Mit hohem Engagement hatte der angehende Regisseur der Potsdamer Filmhochschule »Konrad Wolf« das Budget für seinen hoch gelobten und mehrfach ausgezeichneten Diplomfilm »Vergiss Dein Ende« zusammengekratzt. Seine Hauptdarsteller Renate Krößner, Dieter Mann und Hermann Beyer verzichteten auf ihre Gage. Ein kleiner Berliner Verleih brachte das dramaturgisch stimmige Drama um die Belastungen für die Angehörigen von chronisch Kranken ins Kino, doch die Förderer versagten mit Ausnahme des Medienboards Berlin-Brandenburg die finanzielle Unterstützung des Starts. Trotz der 10 000 Euro Förderung konnte kein TV- oder Radio-Trailer produziert werden.

Regie-Autodidakt Matthias Schweighöfer konnte bei seinem Debüt »What a Man« dagegen finanziell aus dem Vollen schöpfen. Schon der Dreh der Komödie, in der selbst Schweighöfer-Freund Til Schweiger etliche Löcher in der Handlung kritisierte, war den bundesdeutschen Förderern knapp eine Million Euro wert. Zum Start spendierte die Filmförderungsanstalt dann 180 000 Euro plus 400 000 Euro für Werbespots auf den deutschen Fernsehsendern. Die Komödie war so in aller Munde und lockte mehr als eine Million Zuschauer ins Kino. Eine Zahl, von der Andreas Kannengießer nur träumen kann.

Seit Jahren führt die deutsche Filmförderung zu einer Benachteiligung nicht nur junger Filmemacher. Insbesondere die Vergabe der Mittel für die Buchung von Werbezeiten durch die Filmförderungsanstalt (FFA) sorgt für Wettbewerbsverzerrung und Unmut bei den kleinen Verleihern. Die haben nur dann eine Chance in den Genuss einer Förderung zu kommen, wenn sie wie Christian Petzolds »Barbara« bei einem großen Festival für Furore sorgen - für den Gewinner des Goldenen Bären der Berlinale 2012 gab es aber nur 100 000 Euro.

Ansonsten gehen diese geldwerten Vorteile für die Unterstützung eines Kinostarts regelmäßig an Komödien von Til Schweiger, Otto Waalkes und Michael »Bully« Herbig oder hoch budgetierte Event-Filme wie »Die Päpstin«. Gerne greifen auch die deutschen Dependancen der amerikanischen Groß-Großverleiher auf das Geld zurück, die sich so gern für ihr Engagement für den deutschen Film loben lassen.

Diese Marktverzerrung hat System, in der Kommission der FFA sitzen vorrangig Lobbyisten der kommerziellen Kino- und Verleiherverbände. Dabei hat die Idee der Spots durchaus Charme. Statt viel Geld in Filme zu stecken, von denen kein Zuschauer erfährt, sollte auf dem Bildschirm in attraktivem Umfeld geworben werden. So wurden diese Medialeistungen, wie sie im Fachjargon genannt werden, im Jahre 2003 im Filmförderungsgesetz (FFG) verankert. Es regelt seit 1967, dass alle, die von der kommerziellen Auswertung deutscher Filme profitieren - Kinos, Verleiher, Fernsehsender, DVD-Anbieter, Telekommunikationsunternehmen - in einen Solidartopf einzahlen, damit neue Filme entstehen. Verwaltet wird der momentan rund 70 Millionen Euro schwere Etat von der FFA. Davon wurden in den vergangenen Jahren je rund acht Millionen Euro für Medialeistungen ausgegeben.

Doch die Medialeistungen sorgten bald nach ihrer Einführung für Ärger. Zum ersten Eklat kam es im Februar 2004, als die FFA-Gremien beschossen, dass nur Filme von ihnen profitieren sollten, die mit mindestens 100 Kopien starten. Das hätte auch den damaligen Berlinale-Gewinner »Gegen die Wand« von Fatih Akin ausgeschlossen. Nach Protesten der Verleiher von Arthouse-Filmen nahm die FFA diese Bestimmung zurück - die Praxis sieht seit Jahren anders aus. Solche »Regelungen scheinen allein auf die Bedürfnisse großer Unternehmen vor allem im Bereich des Mainstream-Kinos zugeschnitten und behindern die gesunde wirtschaftliche Entwicklung im Arthouse-Segment,« klagt die AG Verleih als Vertreterin von 30 Firmen aus dem benachteiligten Marktsegment. Diese Entwicklung ist zudem schmerzlich für ARD und ZDF, seit Jahrzehnten zuverlässige Förderer des »Arthouse«-Kinos. Ihre Kinokoproduktionen werden bei der Vergabe der Spots benachteiligt. Die öffentlich-rechtlichen Sender zahlen seit Jahrzehnten Bares an die FFA, während die privaten Sender ihre Schuld zunehmend in Form von Medialeistungen begleichen. Eine Tendenz, die der AG Kino Sorgen macht. Sie beklagt, eine »faktische Ausklammerung der privaten TV-Sender aus der Beitragszahlung für die Filmförderung zugunsten der fragwürdigen Vergabe von «Medialeistungen», die zudem fast ausschließlich dem Mainstream-Film zugutekommen und dadurch eine Wettbewerbsverzerrung verursachen.«

Ihre Klage ist berechtigt. An attraktiven Filmen fehlte es nie, um dieses Ungleichgewicht zu ändern. Im Durchschnitt lehnt die Kommission jeden zweiten Antrag auf die Gewährung von Medialeistungen ab.

Die Autorin ist freie Medienjournalistin. Sie lebt in Berlin.

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