nd-aktuell.de / 08.10.2013 / Kultur / Seite 38

Piraten

Nuruddin Farah: Roman aus Somalia

Manfred Loimeier

Der somalische Autor Nuruddin Farah, im südafrikanischen Kapstadt lebend, widmet sich in seinen Romanen stets der Geschichte am Horn von Afrika. Sein jüngstes Buch »Gekapert« hat die Piraterie vor der somalischen Küste zum Thema und ergänzt den westlichen Blick um die Sicht der Menschen vor Ort.

»Gekapert« überzeugt aus mindestens zweierlei Sicht. Erstens inhaltlicher Art: In der Tat konzentriert sich die Aufmerksamkeit des Westens auf das Schicksal der von Piraten gekaperten Schiffe und ihrer Besatzungen und empört sich über ein brutales Vorgehen und Lotterleben der Seeräuber.

Dagegen stellt Farah die Position von Fischern, deren Fanggründe seit dem Zusammenbruch des somalischen Staates von internationalen Flotten leergefischt werden - zum Teil auch unter Einsatz von Waffen.

Farah zufolge ist die Piraterie vor Somalias Küste ein globales Geschäft; den größten Gewinn streichen Mittelsmänner in Abu Dhabi ein, Rechtsanwälte in London und Mitarbeiter der Schifffahrts- und Hafenbehörden, die den Piraten die Routen und Handelswaren auf den Schiffen durchgeben.

Hinzu kommt, dass Farah auf mitreißende Weise, in einem ungemein präzisen, detailorientierten Stil erzählt, der die Leser gleichsam als teilnehmende Beobachter jederzeit in der Handlung präsent sein lässt.

Zwei in den USA lebende Brüder fahren in ihre somalische Heimat - der eine ein Journalist, der über Piraterie recherchieren möchte, der andere ein Stiefvater, der seinen abtrünnigen Stiefsohn aus den Reihen islamistischer Extremisten lösen will. Beide sind letztlich erfolgreich, aber der Preis dafür ist hoch.

Zwar zeigen sich in manchen Dialogen Farahs Schwächen einer allzu didaktischen, lebensfernen Schreibweise - »Hast du dich an diesem Akt der Selbsterniedrigung beteiligt oder nicht?« -, aber die Darstellung der Konflikte und die Charakterisierung der Figuren gelingt Farah besser denn je.

Und obwohl »Gekapert« in seiner politischen Thematik durch die brisante Lage im Nahen Osten derzeit überlagert wird, ist es doch ein ungemein informativer und fesselnd geschriebener Roman, mit dem sich Farah als politischer Autor und treffender Erzähler erneut zu Wort meldet.