Holt die Zwei-Flaggen-Truppe bald die Trikolore ein?

Gerüchte über Ende der deutsch-französischen Brigade erreichten Berlin - aus Paris kam dazu ein halbherziges Dementi

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Schreck ist tief in unionierte Knochen gefahren: Angeblich will sich Frankreich aus der deutsch-französischen Brigade verabschieden.

Die französische Zeitung »Le Figaro« hat am Donnerstag dieser Woche ein Thema aufgegriffen, das im Südwesten Deutschlands schon seit dem Frühsommer als Gerücht gehandelt wird. Paris, so heißt es, will aus Kostengründen das im baden-württembergischen Donaueschingen stationierte 110. Régiment d’Infanterie zurückziehen. Damit, so zitiert die Zeitung einen in die Pläne involvierten Offizier, sei das Ende der deutsch-französischen Brigade eingeläutet.

Via »Figaro« landete das Gerücht auf Berliner Regierungstischen und verbreitete vor allem bei der CDU/CSU Entsetzen. Der CDU-Verteidigungspolitiker Bernd Siebert sprach sogleich von »besorgniserregenden« Überlegungen. Die 1987 unter dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Frankreichs sozialistischem Staatschef François Mitterrand vereinbarte und zwei Jahre später gegründete deutsch-französische Brigade ist eines der angeblich wichtigsten Symbole der Aussöhnung und Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern. Erstmals in der oft leidvollen Geschichte beider Länder schießen die jeweiligen Soldaten nicht auf- sondern miteinander.

Rechnet man alle Truppenteile zusammen, so kommt man auf die beachtliche Mannschaftsstärke von rund 5000 deutsche und französische Soldaten. Sie sind in beiden Ländern stationiert.

Die Auflösung des 110. Infanterieregiments würde den Abzug von fast 900 Soldaten und 100 zivilen Verwaltungsangehörigen bedeuten. Dazu würden 1500 Familienangehörige Deutschland verlassen. Man ahnt die Sorgen der Kommunen, der Handwerker, Fleischer, Gastwirte und Tankstellenbesitzer.

Ende September erst hatte die Stadt Donaueschingen mit den französischem Militär einen Vertrag unterzeichnet, der den beiden dort stationierten Truppenteilen, dem deutschen Jägerbataillon 292 und dem französischen 110. Regiment, zusätzliches Übungsgelände sichert. der Vertag läuft bis 2029.

Und was geschieht mit jenen Soldaten die Deutschland im Gegenzug nach Frankreich entsandt hat? Ende 2010 hatte die Bundeswehr einen deutschen Kampfverband - das Jägerbataillon 291 - auf französischem Territorium der gemeinsamen Brigade unterstellt. Neben dem gemeinsamen Brigadeprojekt wäre so auch das gerade beschlossene Stationierungskonzept der Bundeswehr zumindest teilweise überholt.

Eilig sorgte Berlin dafür, dass Paris Stellung bezieht. Doch für ein klares Dementi reichte es nicht: »Wir fühlen uns der deutsch-französischen Brigade zutiefst verbunden«, erklärte das Verteidigungsministeriums. Jede Änderung werde im Einvernehmen mit den Deutschen geschehen.

Die Position der sozialistischen Regierung in Paris ist nicht etwa einer pazifistischen Weltsicht geschuldet. Die Annahme wäre auch angesichts der gezeigten Einsatzfreude in Libyen und der geplanten Einsatzfreude gegenüber Syrien absurd. Die Regierung gehorcht der puren Not. bar. Sie will bei den Streitkräften zwischen 2014 bis 2019 34 000 Stellen abbauen: 23 500 Stellenstreichungen wurden von der sozialistischen Regierung beschlossen, weitere 10 000 Streichungen stehen noch aus einem vorherigen Kürzungsplan der konservativen Sarkozy-Vorgängerregierung aus.

In Zeiten knapper Staatsfinanzen trennt man sich von überflüssigen Geldvernichtungsmaschinen. Die deutsch-französische Brigade gehört dazu. Sie ist eine Paradeeinheit, die einmal im Jahr über den Champs-Élysées marschieren, aber nicht zu einem gemeinsamen Kriegseinsatz ausrücken darf, weil die Interessen Frankreichs und Deutschlands nur selten deckungsgleich sind. Auch die Absicht, dass die Brigade zur beschleunigten Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik beiträgt, ist beerdigt. Ganz zu schweigen von einer EU-Armee.

Für den verteidigungspolitischen Sprecher der Union, Ernst-Reinhard Beck, steht dennoch fest, »dieses wertvolle Element deutsch-französischer - und darüber hinaus auch europäischer - Kooperation darf nicht kurzfristigen Sparzwängen zum Opfer fallen«.

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