Wer schon immer einmal gern seinen Urlaub damit zubringen wollte, sich täglich von elf Uhr vormittags bis ein Uhr nachts Pornofilme anzusehen, hat vom 23. bis 27. Oktober Gelegenheit dazu. Auf eines aber sei gleich warnend hingewiesen: Ein Vergnügen ist das nur für Leute, die eine gewisse Hingabe mitbringen, was die Beschäftigung mit dem immergleichen Gegenstand angeht, wie beispielsweise die Sammler von Modelleisenbahnen oder Philatelisten.
Das Berliner Pornfilmfestival, das seit 2006 traditionell in den Kreuzberger Moviemento-Kinos stattfindet und mittlerweile ein internationales Publikum aus Pornocineasten anzieht, steht bevor. Die Veranstalter und Kuratorinnen, selbst pornophile Filmnerds, legen seit jeher Wert auf Diversifikation und auf die möglichst umfassende Abbildung der Spielarten menschlicher Sexualität. Ob schwul, lesbisch, hetero, transgender, zoophil oder asexuell, ob man leidenschaftlicher Anhänger abseitiger Fesseltechniken ist, bevorzugt in Naturwollsocken masturbiert, eine Vorliebe für die Neunschwänzige Katze hegt oder gerne Händchen hält und Wangenküsschen austauscht: Hier bleiben keine Zuschauerwünsche offen. Alle, die in Fragen der filmischen Darstellung des Trieblebens offenen Sinnes sind und sich für menschliche Körperteile und -öffnungen interessieren, können sich über die jeweils aktuellen Strömungen und Neuerungen auf dem von ihnen präferierten Sexfilmgenre informieren.
Abseits der eher stumpfsinnigen Pornovarianten, wie man sie hierzulande noch immer in sogenannten Sex-Shops oder »Erotik«-Videotheken findet, existiert ein international wachsender Markt für kleine, unabhängige, ambitionierte Pornoproduktionen, wie das Festival zeigt. Kritische Dokumentationen über den Alltag von Sexarbeiterinnen oder bizarre Experimental-Körperkunst-Homevideos sind dabei ebenso Bestandteil des Programms wie »Filme von Frauen«, wie es unbeholfen im Programm heißt, oder Filme, die versuchen, eine ästhetische Auseinandersetzung mit Sex zu ermöglichen, die nicht gesteuert ist vom heteronormativ-männlichen Blick. Gezeigt werden schon immer auch Mainstream-Pornos. Für gewöhnlich aber werden aus der Masse der in der Regel lieblos gefertigten Industrieware solche Filme ausgesucht, die als ästhetisch besonders gelungen oder originell betrachtet werden.
Auch bei der Auswahl der Independent-Produktionen legt man Wert darauf, wie liebevoll die Filme gemacht sind: Da kann es auch mal sein, dass ein mit einer Hand voll Dollar finanzierter Lesbenporno, was die Montage und die Kameraarbeit angeht, viel mehr an einen Film von Martin Scorsese erinnert als an den uninspiriert heruntergekurbelten Standard-Fickfilm Marke »Drei-Loch-Stuten im Spermarausch«, wie ihn bis heute die Pornoindustrie kultiviert.
www.pornfilmfestivalberlin.de[1]
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/836391.einmal-in-diese-koerperoeffnung-gucken-bitte.html