nd-aktuell.de / 19.10.2013 / / Seite 25

Fritz Sternberg

Kalenderblatt

Andreas Diers
Wenn heute von sozialistischen Imperialismustheorien gesprochen wird, dann ist zumeist von W.I. Lenin und Rosa Luxemburg die Rede. Andere sozialistische Theoretiker sind weniger bekannt. Zu Unrecht. Hier sei an Fritz Sternberg erinnert.

1895 in Breslau in einer jüdischen bildungsbürgerlichen Familie geboren, lernte der Gymnasiast sozialistisches Gedankengut kennen.Sein Studium der Nationalökonomie in Breslau und dann in Berlin wurde durch die Einberufung 1916 zum Militärdienst unterbrochen. Im besetzten Polen kam Sternberg in Kontakt zur jüdischen sozialdemokratischen Organisation »Bund«. 1917 wurde er zwecks Promotion (»Die Juden als Träger einer neuen Wirtschaft in Palästina«) beurlaubt. Die Novemberrevolution erlebte Sternberg in seiner Geburtsstadt, wo er Mitglied des örtlichen Soldatenrates wurde.

Im Wintersemester 1919/20 trat er eine Stelle an der Universität in Frankfurt am Main bei Franz Oppenheimer an, mit dem es jedoch zu Streit kommt, woraufhin Sternberg seine Universitätslaufbahn aufgibt, um sich ab 1923 der Analyse des modernen Imperialismus zuzuwenden. Drei Jahre später erscheint sein Buch »Der Imperialismus«, das in der sozialistischen Bewegung große, teils auch kritische Aufmerksamkeit erfährt. Auf kritische Stimmen antwortete er 1929 mit dem Buch »Der Imperialismus und seine Kritiker«.

Sternberg unterhielt enge Beziehungen zu bekannten Künstlern wie Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger und Georg Grosz. 1927 nahm er am Antiimperialistischen Kongress in Brüssel teil. Zwei Mal besuchte er die UdSSR, wo er mit Eugen Varga, Karl Radek und Nikolai Bucharin diskutierte. 1931 trat er der SAPD bei, zu deren linken Flügel er gehört und für die er nach seiner Flucht aus Nazideutschland im Exil antifaschistisch arbeitet, in Frankreich u. a. für die Volksfront. Seit 1943 im Besitz eines Visums für die USA forschte er dort zur Kriegswirtschaft des »Dritten Reichs«. 1944 gehörte er zu den Unterzeichnern des von dem sozialistischen Theologen Paul Tillich initiierten Programms »Council for a Democratic Germany«.

Ab 1954 verlagerte Sternberg seinen Lebensmittelpunkt wieder nach Europa, behielt aber die US-amerikanische Staatsangehörigkeit. Bis zu seinem Tod in München am 18. Oktober 1963 war Sternberg ein gefragter Redner bei Gewerkschaften und linken Sozialdemokraten in der Bundesrepublik. Andreas Diers