»Die wohnen doch in Erdlöchern«

Vorurteile gegen ein geplantes Asylheim in Pätz

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Technologiezentrum Pätz sollen vorübergehend Flüchtlinge unterkommen. Bei einer Informationsveranstaltung am Donnerstagabend hetzten Neonazis gegen diese Absicht.

Es erinnert an die Vorfälle in Berlin-Hellersdorf, was gegenwärtig im südöstlich von Berlin gelegenen Pätz passiert. Die örtlichen Verwaltungen hatten für den Donnerstagabend zu einer Informationsversammlung über ein zeitweiliges Asylheim eingeladen, das im hiesigen Technologie- und Berufsbildungszentrum in wenigen Wochen rund 150 Flüchtlingen Platz bieten soll.

Es hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, die anonym auf Facebook dagegen hetzte. Mit der berüchtigten Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf, hinter der der Berliner Verfassungsschutz auch Personal und Gedankengut der NPD sieht, ist sie gut vernetzt. Die half auch, zu der Anwohnerversammlung in Pätz zu mobilisieren. Außerdem gab es in dem kleinen Ort im Kreis Dahme-Spreewald fremdenfeindliche Schmierereien.

Gut 200 Bürger wurden zu der Versammlung am Donnerstagabend in den Saal gelassen. Vielen anderen Wartenden - darunter neben unmittelbaren Anwohnern auch mehreren freien Journalisten - wurde der Einlass verwehrt. Die beiden Kollegen, die für das »neue deutschland« berichten und fotografieren wollten, gelangten schließlich 45 Minuten nach Veranstaltungsbeginn doch noch in den Saal, weil eine freundliche Polizistin sie hineinführte.

Der Mann der privaten Wachschutzfirma - der Unternehmensname war in Frakturschrift auf die Uniformen geschrieben - hatte die Verweigerung zuvor damit begründet, dass die lokale Presse schließlich im Saal sei »und das ist genug«.

Die Mehrheit von knapp 100 aus ganz Brandenburg und teilweise aus Berlin angereisten Neonazis blieb vor dem Saal. Dort haben Rechtsextremisten dann im strömenden Regen eine spontane Kundgebung abgehalten und gegen die Bundesrepublik sowie gegen Flüchtlinge gehetzt. »Die werden die gesamte Gegend verseuchen mit den Leuten, die hierher kommen«, wetterte beispielsweise ein Redner. Auf einem Transparent stand »Zukunft für unsere Kinder? Nicht in diesem System«. Immer wieder brüllten die Demonstranten im Sprechchor den bereits aus Hellersdorf bekannten Spruch: »Nein zum Heim!«

Die SPD hielt mit 60 Gegendemonstranten dagegen, darunter auch Flüchtlingsberater aus dem Landkreis und Vertreter des Bündnisses gegen Rechts aus Königs Wusterhausen, denen ebenfalls der Zugang verwehrt wurde.

Drinnen im Saal gab sich Carsten Saß (CDU), der Sozialdezernent des Landkreises Dahme-Spreewald, redlich Mühe, der aufgekochten Stimmung Herr zu werden. So konterte er Behauptungen wie »Die wohnen doch zu Hause alle in Erdlöchern« oder »Die sind doch alle ungebildet und viele Analphabeten darunter« mit dem Argument, dass durchaus viele Akademiker unter den Flüchtlingen seien, aber nicht arbeiten dürfen.

Bei vielen Anwohnern machte sich Futterneid auf Flüchtlinge breit. »Ich finde es Scheiße, dass denen alles in den Arsch geschoben wird« oder »Für die Kita ist kein Geld da. Aber für die haben wir›s.« Dezernent Saß rechnete vor, dass Flüchtlinge lediglich einen Anspruch auf sechs Quadratmeter Wohnraum und auf wenige Euro Taschengeld haben und fragte: »Möchten Sie so leben?«

Und, wie in Hellersdorf, gab es Angst vor Kriminalität durch Flüchtlinge. Eine Frau wetterte: »Meine Freundin ist mal von einem Ausländer sexuell belästigt worden. Wer kommt für so einen Schaden auf?« Das war gefundenes Fressen für die rund 30 NPD-Anhänger, die in den Saal gelassen wurden. Sie heizten die Stimmung an. Der Berliner »Tagesspiegel« berichtet, dass ein junger Mannes in einem T-Shirt mit der Aufschrift »Weltmeister 1945« gerufen habe, das Asylbewerberheim wäre besser in Hoyerswerda oder Rostock aufgehoben. Damit spielte er auf die Pogrome gegen dortige Flüchtlingsheime in den 1990er-Jahren an. Zu diesem Zeitpunkt war das »neue deutschland« noch nicht im Saal. Auch nicht, als ein Krakeeler auf die Frage an den Bürgermeister, wie lange die Flüchtlinge denn bleiben, laut »Tagesspiegel« gesagt haben soll: »Bis es wieder brennt.«

Dabei waren durchaus auch zahlreiche Menschen im Raum, die bereit waren, Flüchtlingen zu helfen. Das waren ältere Anwohner und stille junge Frauen, die gelegentlich Beifall klatschten, wenn einem Neonazi Kontra gegeben wurde. Sie mussten sich Häme gefallen lassen wie etwa: »Willst Du die Asylanten auf den Schoß nehmen und streicheln?« Das Verhältnis zwischen Heimgegnern und besonnenen Bürgern war im Saal etwa ausgewogen. Gegen Ende der Veranstaltung wurde der Diskussionsstil sachlicher. Viele der Neonazis waren da schon gegangen.

Dem brandenburgischen Innenministerium liegen noch keine Erkenntnisse vor, ob hinter der anonym im Internet agierenden Bürgerinitiative in Pätz die neofaschistische NPD steckt. Viele Kommentare auf deren Internetseite lassen eine Prüfung sinnvoll erscheinen. So schrieb beispielsweise jemand: »Eigentlich müsste man sich am Wochenende treffen und gemeinsam das Haus in Pätz einreißen ... So kommt niemand zu Schaden und wir haben unseren Seelenfrieden wieder.«

Dieses Gedankenspiel erinnert an einem Vorfall im Jahre 1992 in Dolgenbrodt. Dieser Ort liegt nur 15 Kilometer von Pätz entfernt. In Dolgenbrodt hatten Rechtsextreme eine Baracke in Brand gesetzt, bevor dort Asylbewerber einziehen konnten. Die Brandstifter wurden von den Dorfbewohnern für ihre Tat bezahlt.

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