nd-aktuell.de / 22.10.2013 / Politik / Seite 10

Brasilien unter den Sündern

Klimapolitisch fährt das Land im Rückwärtsgang

Fabiola Ortiz, Rio de Janeiro

In den letzten fünf Jahren ist Brasilien in die Riege der schlimmsten Klimasünder aufgerückt. Experten führen die Zunahme der klimaschädlichen Treibhausgase auf eine Reihe von Faktoren zurück. Sie empfehlen unter anderem den Ausbau eines nachhaltigen Personentransportsystems in den Städten und die verstärkte Entwicklung der erneuerbaren Energien.

»Mit dem Ausmaß der Klimaverschmutzung passt sich der südamerikanische Wachstumsgigant den Verhältnissen der Ersten Welt an«, meint José Marengo, einer der Autoren des fünften Sachstandsberichts des Weltklimarats. Diese Entwicklung sei einer Strategie geschuldet, die auf eine Förderung von Industrie und Konsum abziele.

Die Regierung hatte mit Steuerbefreiungen den Verkauf von Pkws und Motorrädern stimuliert, der sich wiederum positiv auf die Wirtschaft auswirkte. Doch auf der Sollseite stehen verstopfte Städte und zunehmende Luftverschmutzung. Die Zahl der Pkws hat sich binnen eines Jahrzehnts von 24,5 Millionen im Jahr 2001 auf 50,2 Millionen im Jahr 2012 nahezu verdoppelt, wie aus einem am 10. Oktober von der Denkfabrik »Städtebeobachtungsstelle« veröffentlichten Bericht hervorgeht. Noch dramatischer hat sich die Nachfrage nach Motorrädern entwickelt: von 4,5 Millionen auf 19,9 Millionen Einheiten.

Ende 2012 waren in dem südamerikanischen Land mehr als 76 Millionen motorisierte Fahrzeuge im Umlauf. 2001 waren es noch 31,8 Millionen gewesen. Das bedeutet einen Anstieg um 138,6 Prozent, heißt es in der Untersuchung. »Es sollte darauf hingewiesen werden, dass die Bevölkerung zwischen den zwei Volksbefragungen (2000 und 2010) um 11,8 Prozent gewachsen ist.«

Marengo, Leiter des Zentrums für Erdsystemwissenschaften an Brasiliens Nationalem Institut für Weltraumforschung, hält die Entwicklung für äußerst beunruhigend, »zumal wir die Entwicklungsländer dafür immer kritisiert haben«. Immerhin ist es Brasilien gelungen, die Entwaldung seines Regenwaldes aufzuhalten und dadurch seine Treibhausgasemissionen zwischen 2005 und 2010 um 38,4 Prozent zu verringern, wie Carlos Nobre, ein hoher Beamter im brasilianischen Wissenschafts- und Technologieministerium, erklärte. ips