Auf freiem Fuß

Den Reemtsma-Entführer Thomas Drach zieht es nach über 14 Jahren Haft ins Ausland

  • Guido Speckmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Seine soziale Herkunft deutet nicht auf eine typische Kriminellen-»Karriere« hin. Thomas Drach, der gestern aus über 14-jähriger Haft entlassene Reemtsma-Entführer, stammt aus guten Verhältnissen. Der Vater war leitender Angestellter bei Miele, die Mutter Sekretärin - so ungefähr sah das Ideal einer westdeutschen Mittelschichtfamilie einmal aus. Aufstiegsorientiert schickten die Eltern Drach ihren Sprössling auf das Gymnasium. Dort blieb er nicht lange. Drach begann eine KFZ-Lehre, die er wieder abbrach. Im zarten Alter von 13 fiel er das erste Mal der Polizei auf, weil er Autos geknackt hatte. Was folgte, kann man als stetige Steigerung der kriminellen Aktivitäten bezeichnen: Auf den Supermarktüberfall folgte ein Bankraub. Drach wurde verhaftet und saß seine erste Strafe ab. Es heißt, dass der Vater aus Scham die Familie verließ. Ab 1990 war Drach im Kölner Milieu und in Osteuropa in krumme Dinger verwickelt. 1996 erfolgte die Entführung des Hamburger Millionenerben und Soziologen Jan Philipp Reemtsma - ein spektakulärer Fall der deutschen Kriminalgeschichte. Zwar wurden die Täter gefasst, doch ein großer Teil des Rekordlösegeldes von umgerechnet 15 Millionen Euro ist bis heute verschwunden.

Drach findet nun eine andere Republik vor. Die D-Mark gibt es nicht mehr, Fußfesseln und die Agentur für Arbeit sind noch recht junge Phänomene. Insbesondere die neue Währung dürfte Drach vor Probleme stellen. Der Umtausch von größeren DM-Beträgen in Euro ist nur noch schwer möglich. Die Auflagen, eine Fußfessel zu tragen, sich regelmäßig bei einem Bewährungshelfer sowie bei der Agentur für Arbeit zu melden, dürften für Drachs Entschluss ausschlaggebend gewesen sein, Deutschland nach der Strafverbüßung zu verlassen.

Den Traum vom Luxus konnte Drach immerhin kurz verwirklichen: während der zwei Jahre in Uruguay nach der Entführung Reemtsmas. Die deutsche Mittelschicht indes musste infolge der Agenda 2010 sogar von bescheidenen Aufstiegshoffnungen Abschied nehmen.

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