Tbilissis »rote Linien«

  • Detlef D. Pries
  • Lesedauer: 2 Min.
Außenministerin Maia Panjikidse spricht hervorragend deutsch. Aber den Namen ihres bisherigen Staatspräsidenten spricht sie nicht aus, wenn sie Georgiens Außenpolitik erläutert.

Mit den Präsidentschaftswahlen am Sonntag geht in Georgien ein Jahr der »Kohabitation« zu Ende: Premierminister Bidsina Iwanischwili und seine Partei »Georgischer Traum« beherrschten Regierung und Parlament, Präsident Michail Saakaschwili, seit zehn Jahren im Amt, war die Speerspitze der Opposition. Wissend, dass ihm die Verfassung eine Wiederwahl verwehrt, hatte Saakaschwili früh durchgesetzt, dass wichtige Kompetenzen des Staatsoberhaupts künftig dem Regierungschef zufallen. Diesen Posten wollte der einstige »Rosenrevolutionär« nämlich nach seiner Präsidentschaft einnehmen. Doch er hatte die Rechnung ohne die Georgier gemacht, die bei den Parlamentswahlen am 1. Oktober vergangenen Jahres das Bündnis des Milliardärs Bidsina Iwanischwili vorzogen. Zu autoritär hatte Saakaschwili das Land gelenkt, vor allem aber hatte er Georgien 2008 in den Krieg zur Rückeroberung Südossetiens geführt - und ihn gegen den großen Nachbarn Russland verloren.

Das Verhältnis zu Russland war auch das wichtigste außenpolitische Thema im Wahlkampf, bestätigte Außenministerin Maia Panjikidse kürzlich vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Die Politikerin von Iwanischwilis »Georgischem Traum«, Germanistin mit Studium an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, sieht die georgische Bevölkerung in dieser Frage gespalten. Die einen, deren Exponenten Saakaschwili die Ministerin nicht beim Namen nennt, verlangten einen schärferen Ton gegenüber Moskau, die anderen - vertreten durch die frühere Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse - wollen Russland mehr entgegenkommen. Die Regierung des »Georgischen Traums« wiederum strebe nach einer Verbesserung der Beziehungen zu Moskau, ohne die »roten Linien« zu überschreiten. Einiges sei erreicht: Acht Millionen Flaschen georgischen Weins, Mineralwasser und andere landwirtschaftliche Produkte seien wieder auf dem russischen Markt, auch der Kulturaustausch werde wiederbelebt und Reiseerleichterungen seien absehbar.

Leider habe das alles nicht auf die politischen Beziehungen abgefärbt. Denn da gibt es die bewussten »rote Linien«: Georgien bestehe auf seiner territorialen Integrität und werde die »okkupierten Regionen« Südossetien und Abchasien nicht anerkennen. Und es bestehe auf der freien Wahl seiner Allianzpartner. Georgiens NATO-Orientierung sei selbstverständlich, wenngleich nicht aktuell.

Die Ministerin verwies darauf, dass georgische Truppen in Afghanistan an der Seite der NATO stehen. Dem EU-Beitritt hofft Panjikidse durch die Paraphierung des Assoziierungs- und Freihandelsabkommens im November näherzukommen. Helfen könne die EU aber auch durch Visafreiheit für Georgier: Dann wären georgische Pässe auch für Abchasier und Südosseten attraktiver. Das Ziel ihrer Regierung sei nämlich, nicht Territorien zurückzuerobern, sondern deren Bevölkerung zurückzugewinnen.

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