nd-aktuell.de / 24.10.2013 / Kultur / Seite 17

Marsch nach Narhalla

Thomas Blum

Geht es nach den sogenannten Jecken - Menschen, die bis heute ungestraft vor aller Augen schwere Menschenrechtsverletzungen begehen und diese als »Brauchtum« verharmlosen -, sollen der Karneval und seine Drahtzieher, das letzte legale Terrornetzwerk in Deutschland, Weltkulturerbe werden. Das ist ein bisschen so ähnlich, als würde man der deutschen Rüstungsindustrie den Friedensnobelpreis verleihen.

Der Vizepräsident des Bundes Deutscher Karneval (BDK) und Präsident der Interessengemeinschaft Mittelrheinischer Karneval (IGMK), Peter Krawietz, spricht dazu Unverständliches in Mikrophone: »Die Fastnacht hat tiefe historische Wurzeln, die Regionen in Deutschland prägen, und deren Bräuche schützenswert sind.« Man ahnt, was er meint: »Ich bin gewaltig stolz, ein Deutscher mit einem bunten Trottelhütchen zu sein.«

Dass sein Verein Weltkulturerbe werden könnte, dem räumt er »gute Chancen« ein, »weil es kaum eine vergleichbare Gemeinschaft gibt, die so viele Menschen einbindet«. Sieht man einmal von der internationalen Weltgemeinschaft der Vollidioten ab, die, folgt man Krawietz’ Logik, besser heute als morgen zum Weltkulturerbe gekürt werden sollte.

Im Karneval, so die Nachrichtenagenturen, gebe es »Bräuche, die sich bis heute erhalten hätten«. So etwa der Brauch, die bis zur letzten Bügelfalte militärisch durchorganisierte Humorlosigkeit offen zur Schau und auf die Straße zu tragen, gewissermaßen als Abschreckungsmaßnahme und gut sichtbare Warnung an zivilisierte Nationen: »Schaut her, es gibt uns noch, die Deutschen. Wir bauen die modernsten Autos der Welt und haben den Kunstverstand und das Geistesleben eines mittelgroßen Schäferhundes. Einmarschieren ist immer noch unsere Spezialität, nur diesmal in Mehrzweckhallen statt in Nachbarländer und mit Narrenkappen statt Stahlhelmen.« Weitere wichtige Faschingsbräuche, die sich der dpa zufolge bis heute erhalten haben, sind: »das Maskentragen, das Narrengericht, die Umzüge und die Festmähler. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts gibt es die organisierte Fastnacht.«

Nun könnte man mit Fug und Recht sagen: Die organisierte FDP gibt es, wenn man einmal Fünfe gerade sein lässt, schon fast genauso lange. Und auch sie kann traditionell mit Sitzungskarneval und sinnentleertem buntem Treiben (Parteitag), Charaktermaskenträgern, Umzügen (rein in den Bundestag und wieder raus), Festmählern und haufenweise Narrengesichtern aufwarten. Auch sie dient der Abschreckung und Warnung an die Zivilisation. Auch sie hat, wie ihre sizilianische Schwesterorganisation Cosa Nostra, »tiefe historische Wurzeln, die Regionen in Deutschland prägen«. Trotzdem verweigert man ihr bis heute stur ein Dasein als Weltkulturerbe. Woran mag das liegen? Vielleicht ja daran, dass sie in jüngster Zeit nicht mehr allzu »viele Menschen einbindet«.