»Die haben hier 
doch nur gewohnt«

Bündnis will Debatte über NSU und Zwickau befördern

  • Hendrik Lasch, Zwickau
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor zwei Jahren flog in Zwickau der Unterschlupf der NSU-Terroristen in die Luft. Zum Thema NSU wird in der Stadt seither gestritten. Eine Veranstaltungsreihe soll die Positionen weiter klären.

Im November 2012 sorgte der Maler Thomas Beurich in Zwickau für Aufregung und Entrüstung. Der Plauener hatte ein Bild zum Thema NSU gemalt, das er der Stadt schenken wollte, in der die drei Terroristen des NSU jahrelang unerkannt gelebt hatten. In Zwickau war man wenig begeistert und lehnte ab.

Am 4. November 2011 flog in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau eine Wohnung in die Luft. Im Schutt wurde die Waffe gefunden, mit der die NSU-Mitglieder ihre Morde an Migranten begingen. Bald war von der »Zwickauer Zelle« die Rede. Seither sieht sich die Stadt mit der Frage konfrontiert, wie sie das Thema behandeln soll. Einen verbreiteten Reflex hat das Bündnis für Demokratie und Toleranz in den Einladungstext für ein Bürgerforum aufgenommen, das am 8. November im alten Gasometer stattfindet. »Wir haben uns das nicht ausgesucht«, ist zu lesen. Als das Bündnis im Sommer die Bürger befragte, wie man sich mit dem NSU-Thema auseinandersetzen soll, lautete eine Antwort: gar nicht. Es handle sich schließlich nicht um eine originäre Zwickauer Angelegenheit.

Laut Gundula Schubert, der Koordinatorin des Bündnisses, ist das eine Minderheitenmeinung. Ihr entgegen stehen Ideen für einen Erinnerungsort oder ein Stipendium für ausländische Studenten. »Die Ansichten gehen weit auseinander«, sagt Schubert. Das Bündnis will den Streit nun mit dem Forum weitertreiben. »Wir wollen«, sagt Rainer Eichhorn, Ex-Rathauschef und Beiratsmitglied im Bündnis, »die Breite der Meinungen regelrecht provozieren.«

Bisher sind auch prominente Zwickauer über die angemessene Form der Erinnerung uneins. DGB-Regionalchefin Sabine Zimmermann, die für die LINKE im Bundestag sitzt, hält ein Mahnmal für notwendig: »Man redet ja in der Stadt schon jetzt nicht mehr gern darüber.« Opernintendant Stefan Bausch will zwar ebenfalls der für ihn unverständlichen Haltung entgegentreten, wonach die NSU-Terroristen »doch nur hier gewohnt« hätten. Wie Zimmermann weist er darauf hin, dass in der Region Rechtsextreme aktiv seien. Er möchte aber ein Gedenken, das »nicht mit Düsternis behaftet« sei, sondern »in eine lebendige Zukunft« weist. Denkbar sei eine Forschungseinrichtung über Fremdenhass. Ex-OB Eichhorn will sich nicht auf eine Form des Gedenkens festlegen: »Ich maße mir nicht an zu sagen, wie es sein sollte.«

Auf dem Forum, so hofft man beim Bündnis, könnten sich Ideen herauskristallisieren, die von vielen Bürgern akzeptiert werden. Möglich sei, sagt Schubert, dass Vorschläge an den Stadtrat unterbreitet werden. Inspirieren lassen können sich die Zwickauer schon zuvor bei etlichen Veranstaltungen der »Novembertage«, die traditionell vor allem dem Gedenken an die Reichspogromnacht am 9. November gewidmet sind, in diesem Jahr aber mit dem Thema NSU einen zusätzlichen Schwerpunkt erhalten.

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