nd-aktuell.de / 24.10.2013 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Kliniken brauchen Planungssicherheit

Marburger Bund: Hoher Investitionsbedarf

Rainer Balcerowiak
Die Finanzierung der Krankenhäuser steht im Mittelpunkt der 124. Hauptversammlung der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, die am Freitag in Berlin beginnt.

Von der neuen Bundesregierung erwartet der Verband eine umfassende Reform der Krankenhausfinanzierung, die den Kliniken dauerhafte Planungssicherheit gibt. Das Vergütungssystem der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) gehöre »dringend auf den Prüfstand«, erklärte der Vorsitzende des Marburger Bundes (MB) Rudolf Henke am Mittwoch zur Eröffnung der Hauptversammlung. Denn das System schaffe Fehlanreize, da bei vielen Behandlungen nicht die bestmögliche Versorgung im Mittelpunkt stehe, sondern die von der Klinik zu erzielende Einnahme. Weder Extremkostenfälle noch unvorhersehbare Krisen würden erfasst, wie sich etwa beim Ausbruch der EHEC-Epidemie im Mai 2011 gezeigt habe.

Der MB-Vorsitzende forderte zudem eine »nationale Kraftanstrengung zur Finanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser«. Patienten und Beschäftigte litten jeden Tag aufs Neue darunter, dass diese Mittel aus den laufenden Etats entnommen werden und dann bei der ärztlichen Versorgung und Pflege fehlten. Die Zuwendungen für die stationären Einrichtungen müssten dagegen »gute Arbeitsbedingungen und ausreichende personelle Ausstattung ermöglichen«, heißt es dazu im Leitantrag der Hauptversammlung. Der MB beziffert den Investitionsbedarf der Kliniken auf fünf bis sechs Milliarden Euro.

Eindringlich warnte der MB-Vorsitzende die künftigen Regierungsparteien davor, sich im Koalitionsvertrag auf eine gesetzliche Festschreibung der so genannten Tarifeinheit festzulegen. Dies würden sich »unsere Mitglieder nicht bieten lassen«, so Henke. Mit dem von der Bundesvereinigung der Deutschen Unternehmerverbände (BDA) und einigen DGB-Gewerkschaften geforderten Gesetz verlören Sparten- und Berufsgewerkschaften ihr Recht auf den Abschluss eigener Tarifverträge, wenn es in dem jeweiligen Betrieb oder der Branche eine mitgliederstärkere Gewerkschaft gibt.

Betroffen wären davon nicht nur der MB, sondern auch Spartengewerkschaften der Lokführer, der Flugsicherung, des Bodenpersonals bei der Lufthansa und der Hafenarbeiter. Wenn die Arbeitgeber ein so herausragendes Interesse an einheitlichen Tarifbedingungen hätten, sollten sie ihre Hausaufgaben erledigen, so MB-Vize Andreas Botzlar. Allein die Ärztegewerkschaft habe es aufgrund der zersplitterten Trägerlandschaft im Klinikwesen derzeit mit rund 160 verschiedenen Tarifverträgen zu tun. Zudem führten Ausgliederungen, Übernahmen und Fusionen, wie zuletzt im Fall der Konzerne Fresenius und Rhön-Kliniken, immer wieder zu Auseinandersetzungen um die Gültigkeit bestehender Tarifverträge.

Ohnehin steht der Marburger Bund dem Konzentrationsprozess im Gesundheitswesen kritisch gegenüber. Man sehe es als »gesellschaftspolitische Aufgabe, die Bildung von Oligopolen zu verhindern, die die Gesundheitsversorgung nur noch als Wertschöpfungskette verstehen«, so Botzlar.