nd-aktuell.de / 25.10.2013 / Kultur / Seite 14

LESEPROBE

Seit dem Ausbruch der größten und schwersten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise in der Nachkriegsgeschichte sind inzwischen fünf Jahre vergangen. Diese Krise hat nicht nur zu erheblichen Instabilitäten der Globalökonomie geführt und gezeigt, wie fragil das Regime des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus ist, sondern hat auch die Balance zwischen Staat, Markt und Demokratie nachhaltig gestört. Mit der Krise stieß auch die neoliberale Wachstumspolitik, deren Kennzeichen die weltweite Liberalisierung und Deregulierung der Märkte ist, an ihre Grenzen. Dieses neoliberale Globalisierungsmodell geht einher mit einem Rückzug des Staates und einem blinden, nahezu religiösen Glauben in die Funktionsfähigkeit und Stabilität freier deregulierter Märkte. Letztendlich hat diese Politik nicht zu mehr Wohlstand, sondern zu einem Übergang von einer Marktwirtschaft in eine »Marktgesellschaft« geführt und damit zur Durchsetzung des Primats der Ökonomie.

Die politischen, ökonomischen und sozialen Folgen der Krise sind bis heute spürbar. Sie sind spürbar, weil aus der Finanzmarktkrise und ihren Folgen für die Realwirtschaft und die Staatsfinanzen nicht die richtigen Lehren und Konsequenzen gezogen wurden. Die bisher ergriffenen Maßnahmen sind vor allem symbolischer und strukturkonservativer Natur ...

Doch es zeigen sich auch zunehmend Risse innerhalb der neoliberalen Interessenkoalition. In Deutschland rücken beispielsweise selbst wichtige konservative Vordenker zunehmend von dieser Interessenkoalition ab und kritisieren sie öffentlich ...

Das Zeitfenster für einen breiten Diskurs über alternative Entwicklungspfade sowie entschlossene Reformen ist somit offensichtlich nicht geschlossen, auch wenn die Schwierigkeiten der Umsetzung eines Pfadwechsels unverkennbar sind. Er wird freilich nicht von selbst kommen, sondern gesellschaftspolitische Akteure, wie beispielsweise die Gewerkschaften, müssen ihn aktiv skizzieren und dazu beitragen, ihn mehrheitsfähig zu machen.

Aus dem Beitrag von Berthold Huber, Vorsitzender der IG Metall, in dem von ihm herausgegebenen Buch »Kurswechsel für ein gutes Leben. Wege zu einer solidarischen Gesellschaft« (Campus, 270 S., geb., 24,99 €).