Männchen wäre in die Luft gesprungen

Zwei Merkel-Handys? Das ist eine doppelte Herausforderung und eine Chance für die sammelgierige NSA

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Angela Merkel hat mehrere Handys und die Bundesregierung keine direkten Beweise dafür, dass eines oder mehrere dieser Handys von US-Diensten infiltriert sind. Wohl aber gibt es »starke Indizien«.

Generalleutnant Horst Männchen, der Chefabhörer des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit, wäre vor Freude in die Luft gesprungen, wenn seinen Leuten ein ähnlicher Coup gelungen wäre. Doch im Kalten Krieg war die Technik noch im kommunikativen Steinzeitalter. Allenfalls wenn die Gespräche westdeutscher Potentaten per Richtfunk übertragen oder aus Autos heraus geführt wurden, konnte man ein ostdeutsches Ohr dazwischen bekommen.

Eiligst waren die Dienste samt Generalbundesanwalt in der Wendezeit dabei, die unter Helmut Kohl oder Gerhard Schröder abgehefteten Abhörprotokolle zu sichern. Wie will man das nun tun, da die Kanzlerin offenbar nicht vom Feind, sondern von Freunden abgehört wurde?

Eigentlich war man sich ja sicher, alles getan zu haben, damit jegliches Abhören der Regierung unmöglich ist. Der Bund habe sogar die Vorreiterrolle übernommen, wenn es darum ging, sich gegen Lauschangriffe zu schützen, sagte Hans-Christoph Quelle, Geschäftsführer der Düsseldorfer Secusmart GmbH vor wenigen Tagen noch. Da war er voller Stolz, als er über die Erfolge seiner IT-Firma auf der Nürnberger Sicherheitsmesse it-sa berichtete. Dort hat das Unternehmen die »Hochsicherheitslösung SecuSUITE for BlackBerry 10« - bekannt als »Merkel-Phone« - vorgestellt. Auch Industrie und Wirtschaft hätten Interesse bekundet.

Was für die Kanzlerin taugt, ist auch für Nachgeordnete gut. Secusmart, der »führende Experte auf dem Gebiet der hochsicheren Sprach- und Datenkommunikation via Smartphone und Festnetz«, entwickelt »kundenspezifische Lösungen gegen Lauschangriffe für große und mittelständische Unternehmen sowie Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben«.

Quelle verwies darauf, dass inzwischen 23 Behörden die auf einer SD-Karte gespeicherte Sicherheitstechnik für die BlackBarry-Geräte nutzen und präsentierte Bestellungen von mehr als 1200 Geräten. Elf der 13 Bundesministerien entschieden sich für diese Technologie. Nach mehrmonatigem Testbetrieb hatte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine vorläufige Zulassung für die Geheimhaltung VS-NfD (Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch) erteilt. Das ist die unterste Diskretionsstufe.

Es gibt zahlreiche Fallen, in die man im Alltag tappen kann. Zwar können sogenannte Krypto-Handys Gespräche, SMS und E-Mails verschlüsseln. Allerdings nur, wenn man vor dem Gespräch oder dem Versenden einer Nachricht einen entsprechender Code eingibt. Vergisst man es, bleibt alles ungeschützt. Auch wenn man mit einem solchen Handy ein normales Gerät anruft, erlischt der Vorteil, weil dann Kommunikation stets nur auf dem niedrigsten Standard, also ungesichert, abläuft.

Einiges deutet darauf hin, dass es sich bei dem angezapften Telefon nicht um das Krypto-Handy der Kanzlerin, sondern um das Mobiltelefon der CDU-Chefin handelt. Das macht die Sache kaum besser.

Jeder Geheimagent oder halbwegs investigative Journalist weiß, dass man sein Handy nicht mitnimmt, wenn Sensibles besprochen wird. Zumindest entfernt man den Akku. Das verhindert erstens, dass zu neugierige Widersacher ein Bewegungsprofil erstellen können und sichert zweitens, dass kein Fremder mitlauschen kann. Denn es ist bekannt, dass es technisch machbar ist, das Mikrofon eines Handys einzuschalten, um alle Umgebungsgeräusche mitzuhören. Fragt sich, ob Merkel immer das »CDU-Handy« abgegeben hat, bevor sie zur Kabinettssitzung rief?

Heute können sich versierte Hacker in fast jedes Handy einklinken. Wie verseucht die sein können, zeigen Untersuchungen des internationalen Analyseunternehmens Juniper Research. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass dort ein Interesse am Verkauf von Sicherheitstechnik vorliegt, so sollte man zumindest aufhorchen: Mehr als 80 Prozent der aktuell verwendeten Smartphones bieten keinen ausreichenden Schutz vor Hacker-Angriffen. Besonders anfällig seien Android gestützte Handys. Laut NQ Mobile-Security haben sich 2012 rund 32,8 Millionen solcher auf das Google-Betriebssystem setzende Geräte eine »Infektion« eingefangen.

Minister, Staatssekretäre, Abgeordnete, Leibwächter, andere Bedienste oder Fahrer - die meisten haben ein Handy oder/und ein Tablet der beiden großen Marktführer Apple oder Samsung. Sicher, die in der und für die Regierung zuständigen IT-Berater und -Sicherheitsexperten geben Ratschläge, welche Geräte wie sicher zu verwenden sind. Doch wer hält sich daran? Insider wissen, dass Minister lieber ihr gewohntes Handy oder Tablet behalten, als »umzuschulen«.

Sicher interessiert sich die NSA weniger für SMS, in denen Merkel ihrem »Joachim 1« (also dem Ehemann Sauer) eine Einkaufsliste übermittelt. Wohl aber wäre es ein Gewinn für den US-Dienst, wenn sie über »Joachim 2« (den Bundespräsidenten Gauck) lästern würde. Ganz gewiss ist es für eine Regierung wie die Regierungspartei immer schädlich, wenn die Gegenseite bei Verhandlungen schon interne Grenzen und die möglichen Kompromisse kennt, die der Partner eingehen kann. Und welche moralischen Bedenken sollten die NSA oder einen anderen Geheimdienst davon abhalten, diesen Vorteil zu nutzen?

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