nd-aktuell.de / 26.10.2013 / Kultur / Seite 20

Nachrufe

svo

Jovanka Broz / 7. 12. 1924 - 20. 10. 2013

Wer kann sich nicht an die beeindruckende Frau an der Seite des jugoslawischen Staatspräsidenten Josip Broz Tito erinnern: Lächelnd, das Haar zum altmodischen Dutt hochgesteckt, der nicht zu ihren Designerkleidern passte, schüttelte sie die Hände von Kaisern, Präsidenten und Hollywoodstars. In den 1960ern und 1970ern, der Blütezeit des Staates. Und ehrlich: Wer hätte gewusst, dass Jovanka Broz, Partisanin im Zweiten Weltkrieg, noch lebt? Nach Titos Tod 1980 war es still um sie geworden. Zunächst weil sie isoliert wurde - man nahm ihr die Bürgerrechte, konfiszierte ihr Eigentum, stellte sie in einer baufälligen Belgrader Villa unter Hausarrest. Dort lebte sie, von der Öffentlichkeit vergessen, von der Politik ignoriert, auch noch, als es niemanden mehr kümmerte, was die Vertraute Titos wissen könnte.

Erst 2009 bekam sie einen Pass. Anfang des Monats erschien »Mein Leben, meine Wahrheit«, eine Autobiografie, reißerisch als »Abrechnung« angekündigt. Die serbische Regierungskoalition betrauert Broz als letzte Zeugin einer historischen Epoche, vor allem aber als großes Opfer des sozialistischen Jugoslawien. Ein schwieriger Spagat: Nach Jahren des Antijugoslawismus, der die neuen Staaten legitimierte, hat sich in Serbien eine entpolitisierte Jugonostalgie verbreitet, derer sich auch die Regierenden bedienen. Mit Jovanka Broz’ Tod endet eine Epoche. Welche Rolle sie darin spielte, werden nun leider andere aufschreiben. svo

Otto Marquardt / 3. 7. 1933 - 17. 10. 2013

Er begann als »Leo Burghardt« für »nd« zu schreiben, als uns andere Korrespondenten »wendebedingt« die Zusammenarbeit aufkündigten. Wir kannten zuvor nur die markante, raue Stimme des Mannes, der seit Mitte der 1960er Jahre für den Rundfunk der DDR aus und über Lateinamerika berichtet hatte. Den Rundfunkton hörte man ihm noch an, wenn er seine Beiträge per Telefon aus Havanna übermittelte, wo der gebürtige Hallenser eine zweite Heimat gefunden hatte. Selbst seine Schreibe atmete den ihm eigenen Rundfunkstil, und Otto legte Wert darauf. Wohl hatte auch er anfangs gezweifelt, ob Kuba seinen Weg nach dem Verlust osteuropäischer Verbündeter fortsetzen könne. Doch an seiner leidenschaftlichen Solidarität mit dem kubanischen Volk, an seiner Empörung über würgende Schikanen der USA ließ er nie Zweifel. Als seine Berichte einige Zeit ausblieben, fragten Leser besorgt nach dem Grund. Im vergangenen Jahr nahm er seine Arbeit für »nd« wieder auf, eben der Leser wegen. Sie - und wir - werden Marquardts Stimme aus Havanna vermissen. ddpr