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Ein »Jimi Hendrix der Tuba«?

Das Jazzfest Berlin lockt mit Retrospektiven und großen Namen

  • Hans John
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Jazzfest Berlin wirft seine Schatten voraus. Denn seit Bert Nogelik die künstlerische Leitung übernommen hat, gibt es dem Festival vorgelagerte Veranstaltungen. So spielte etwa das Trio Ivoire zur Pressekonferenz auf. Und am 30. Oktober, einen Tag vor Festivalbeginn, wird im Haus der Berliner Festspiele (19 Uhr) die Podiumsdiskussion »Calling Africa« ausgerichtet, im Anschluss daran wird der Film »Transmitting« gezeigt.

Die Festivaleröffnung am 31. Oktober besorgt der junge Trompeter Christian Scott aus New Orleans. Mit seiner »Stretch Music« möchte er traditionellen Jazz und neueste Entwicklungen mit nordafrikanischen Einflüssen vereinen. Gnawa Jazz Vodoo heißt das Projekt des Pianisten Joachim Kühn, das anschließend den Weggefährten John Coltranes, den 74-jährigen Paroah Sanders, als besonderen Gast präsentiert.

Zum zweiten Mal setzt sich das Jazzfest mit dem Erbe der deutschen Jazzpianistin Jutta Hipp auseinander, das von Ilona Haberkamp interpretiert werden wird. Zudem wurde der Trompeter Ack van Rooyen hierzu eingeladen. Dass Emil Mangelsdorff, Saxofonist und Flötist, der noch mit Jutta Hipp zusammengearbeitet hat, wieder nicht als Gast hinzugezogen wurde, bleibt unverständlich.

Ein zweites Retro-Projekt macht ebenso gespannt. Vor 25 Jahren verstarb der weltbekannte Trompeter Chet Baker, der übrigens zwischen 1948 und 1950 zwei Mal in Berlin mit US-Militärkapellen stationiert war. Seit 1979 arbeitete der italienische Kontrabassist Riccardo del Fra mit der Trompeterlegende zusammen. Für eine Baker-Hommage bereits preisgekrönt, kommt er nun mit dem Baker-Programm »My Chet, My Song« nach Berlin. Abgesehen von ihm gebührt in seinem Quintett der Trompeterin und Flügelhornistin Airelle Besson besondere Aufmerksamkeit.

In der Formation »Wunderkammer XXL« finden die Tastenkünstler Michael Wollny und Tamar Halperin mit der hr-Bigband zusammen. Ein großorchestrales Musikereignis schlägt da auf, das sich vor dem zweiten Orchester des Abends, der klezmerfreudigen Gruppe »Abraham Inc.«, nicht zu verstecken braucht. »Big Circle« nennt der Bassklarinettist Michael Riessler ein Projekt, das sein Quartett mit dem Bläsersextett der Hochschule für Musik und Theater München vereint. In einem grandiosen Rundumspiel dürften Kategorien wie Improvisation, Kollektivspiel, Jazz oder Rock unwesentlich werden.

Ein ganzer Abend in der Akademie der Künste wurde Ernst-Ludwig Petrowsky zur Verfügung gestellt, der im Dezember seinen achtzigsten Geburtstag begeht, um sein Gesamtwerk exemplarisch auszubreiten. Drei von ihm geprägte Gruppen bietet der Altmeister an: »Ruf Der Heimat«, »Ornette et Cetera« und »Zentralquartett«.

Als einer der großen, international berühmten Schlagzeuger kann Jack DeJohnette mit enormem Publikumszulauf rechnen - schließlich ist seine Zusammenarbeit mit Miles Davis unvergessen und jene mit Keith Jarrett dauert noch an. Nun wurde er mit dem Klarinettisten Don Byron nach Berlin eingeladen. Erst einmal kennenzulernen gilt es hingegen den jungen New Yorker Schlagzeuger Jaimo Brown. »Transcendence« nennt er sein Programm, das den Einfluss der schwarzen Kirche auf den Jazz spiegelt, aber auch Einsprengsel von Hip-Hop oder freien Improvisationen anbietet. Auch der in Berlin lebende Pianist Kelvin Sholar wirkt in diesem Quintett mit.

In die Zeit der Beatniks entführen die Synchronsprecher Christian Brückner und Christian Weidner, wenn sie die erotischen Dichtungen von E.E. Cummings rezitieren und umspielen. Wer musikalisch Experimentelles mag, in dem die Elektronik den Ton angibt, sollte den Duo- bzw Trio-Auftritt von »Christopher Rumble« und »Food + Fennez« nicht verpassen. Vor einem Podiumsgespräch anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der Union deutscher Jazzmusiker wird Posaunist Nils Wogram der Deutsche Jazzpreis verliehen und er wird danach ein kleines Konzert geben.

Nicht nur auf Erfahrungen mit Latin und Rhytmn & Blues kann sich der Schlagzeuger Dafnis Prieto berufen, sondern ebenso auf die Zusammenarbeit mit Andrew Hill oder Henry Threadgill. Mit dem Proverb Trio gibt der gebürtige Kubaner seinen Berlin-Einstand. Als Überraschungssenkrechtstarter aus München kommt die Monika Roscher Big Band nach Berlin, für die die 28-jährige Gitarristin, Komponistin und Sängerin seit 2010 eigenwillige Arrangements und Stücke schreibt. Von der CD »Failure in Wonderland« tönt eine gekonnte Mischung aus Ambient, Electro-Pop und Jazz Grooves.

Zum Festival-Finale tritt der Kassenzieher »The John Scofield Überjam Band« an. Für Unermüdliche geht es am Abschlussabend (ab ca. 22.30 Uhr) im Quasimodo mit dem britischen Quartett »Sons of Kemet« weiter, zu dem auch Oren Marshall, »der Jimi Hendrix der Tuba«, gehört.

Zur Vorverkaufssituation der Eintrittskarten erklärt Projektleiter Ingo von Hasselt: »Auch ein Fachpublikum orientiert sich an Namen. So sind die Konzerte mit Joachim Kühn/Sanders, De Johnette, der hr-Big Band und Scofields Überjam Band schon jetzt nahezu ausverkauft«.

31.10.-3.11., Haus der Berliner Festspiele, Akademie der Künste, A-Trane, Quasimodo. Infos unter (030) 25 48 91 00, www.berlinerfestspiele.de

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