Luxemburg in Gambias Farben

Liberalen-Chef Bettel will eine Koalition mit Sozialdemokraten und Grünen bilden

  • Anina Valle Thiele, Luxemburg
  • Lesedauer: 3 Min.
In Luxemburg kommt es tatsächlich zu einem politischen Wechsel. An diesem Dienstag beginnen die Koalitionsverhandlungen - für ein Dreierbündnis ohne Langzeitpremier Jean-Claude Juncker.

Der Königsmord an Jean-Claude Juncker scheint ausgemacht zu sein. Die Trikolore des westafrikanischen Staates Gambia - rot (Sozis), blau (Liberale) und grün - steht für die sich abzeichnende neue Regierungskoalition in Luxemburg.

Bereits am Wahlabend des 20. Oktober war zwar klar, dass die drei Parteien rechnerisch über eine Mehrheit im neuen Parlament verfügen. Liberale und Sozialdemokraten hatten je 13 Sitze errungen, die Grünen sechs. Damit haben die drei Parteien im 60 Sitze zählenden luxemburgischen Parlament 32 Mandate. Nur wenige erwarteten jedoch, dass eine solche Koalition politische Realität werden würde. Denn das Ergebnis von Junckers Christlich-Sozialer Volkspartei (CSV) war trotz Geheimdienstskandals und Krisenerscheinungen mit 33,7 Prozent so schlecht nicht. Mit deutlichem Abstand blieb die CSV stärkste Kraft (23 Mandate). So überraschte die schnelle Absage der Liberalen an Junckers Partei, programmatisch gäbe es nämlich durchaus Schnittmengen.

Doch Juncker bekommt nun offenkundig die Quittung für sein autoritäres Gebaren als Regierungschef, dessen Höhepunkt im Juli mit seiner Weigerung abzudanken, erreicht wurde. Die Demütigungen, die der »Don« der Luxemburger Politik und den anderen Fraktionen zumutete, bekommt er nun zurück: Nicht einmal Sondierungsgespräche boten sie ihm und seiner CSV bisher an. Sichtlich betrübt verabschiedete sich Juncker am vergangenen Freitag auf dem EU-Gipfel in Brüssel. Es könnte sein letztes Ratstreffen als Regierungschef Luxemburgs gewesen sein.

»Neuanfang«, »gesellschaftlicher Wechsel« und »Aufbruch« waren die Schlagworte, mit denen die Oppositionsparteien den Wahlkampf bestritten hatten. Spult man zurück zum Abend des 20. Oktober und versucht, die Aussagen der Gewinner der Demokratischen Partei (DP) zu deuten, scheint es ganz so, als wäre der Wille, ohne Juncker zu regieren und damit eine Gambia-Koalition zu bilden, bereits hinter den Kulissen beschlossen gewesen.

Die Abnabelung von den Konservativen war perfekt, als sich weder Liberale noch die Luxemburger Sozialistische Arbeiterpartei (LSAP) mit der CSV an einen Tisch setzen wollten. Für den starken DP-Spitzenkandidaten im Norden, Charles Goerens, war das ein Grund, öffentlich zu verkünden, er stünde nicht mehr für einen Ministerposten bereit. Goerens, den viele schon als Außenminister einer schwarz-blauen Koalition wähnten, warf seiner eigenen Partei mangelnde Ethik vor.

Angesichts der historischen Chance der Liberalen, in einer Dreierkoalition (zum zweiten Mal) den Premierminister stellen zu dürfen, verwundert der Vorstoß zu einem Bündnis mit LSAP und Grünen nicht. Xavier Bettel, Bürgermeister der Hauptstadt, ist der große Wahlsieger. Mit 32 064 Stimmen (12 000 mehr als 2009) ist er der mit Abstand meistgewählte Politiker. Der sozialdemokratische Juncker-Herausforderer Etienne Schneider erhielt nur 19 682 Stimmen. Ausschlagegebend für das gute Abschneiden der Liberalen, die seit ihrer Gründung 1945 relativ gleichförmig zwischen 12 und 18 Prozent pendeln, dürfte neben dem Popularitätsfaktor des Amtes des Hauptstadt-Bürgermeisters auch die Themensetzung im Wahlkampf gewesen sein: Sie forderten Reformen in den Bereichen Wohnungsbau, Arbeitslosigkeit und Bildungspolitik. Der soziale Anstrich zog.

Die Grünen verloren hingegen einen Sitz. Glaubt man den Statistiken der Wählerwanderung, mussten sie in erster Linie Stimmen junger Wähler an die Piraten abgeben.

Programmatisch verbindet die Liberalen - außer dem unbedingten Willen zu regieren - wenig mit Sozialdemokraten und Grünen. Die Forderung der DP nach einer Senkung des Mindestlohns für Auszubildende werden Grüne und LSAP wohl kaum mittragen können.

Dennoch wird der 40-jährige Bettel, der am Freitag von Großherzog Henri offiziell mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, nun mit Schneider und dem Grünen-Spitzenkandiaten François Bausch die Verhandlungen aufnehmen. Bis zum nächsten EU-Gipfel Mitte Dezember soll die neue Regierung - ohne Juncker - stehen.

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