Salmonds Samen der Spaltung keimen kaum

Rückschläge für Schottlands Premier

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Diskussion um die Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien wird überschattet vom Einknicken der Gewerkschaft UNITE vor der Ölindustrie.

Die 1370 Beschäftigten des schottischen Petrochemiewerkes und der Ölraffinerie von Grangemouth können aufatmen: Ihre Jobs sowie 4000 weitere Arbeitsplätze bei Lieferanten sind vorerst gerettet. Jim Ratcliffe, Steuerflüchtling und Boss der Firma Ineos, verspricht 350 Millionen Euro zusätzliche Investitionen.

Doch um welchen Preis? Len McCluskey, Chef von Britanniens größter Gewerkschaft, UNITE, musste die weiße Fahne hissen und Lohnzurückhaltung, Job- und Rentenkürzungen sowie einem dreijährigen Streikverzichtsabkommen zustimmen. Drei Viertel des in Schottland verwendeten Öls werden in Grangemouth verarbeitet. Kein Wunder, dass Londons liberaler Schottlandminister Alistair Carmichael und John Swinney, Finanzminister der schottischen Regionalregierung, die Einigung in einer gemeinsamen Pressekonferenz begrüßten.

Dabei straft die traute Zusammenarbeit von Carmichael und Swinney die separatistische Propaganda des schottischen Ministerpräsidenten Alex Salmond Lügen. Der gewiefte Demagoge strebt durch eine für September 2014 geplante Volksabstimmung die Loslösung von England an. Dabei bedient sich Salmond einfacher Geschichtsmuster: Die Engländer waren an allem schuld. Englische Großgrundbesitzer trieben Pächter von ihren Höfen im Hochland, englische Industrielle behandelten ihr schottisches Personal angeblich wie den letzten Dreck. Dabei könnte das Land nördlich des Tweed dank Nordseeöl und den hochprofitablen Whiskybrennereien frei und reich werden. »Es ist unser Öl« sowie »Arme Engländer und reiche Schotten« tönte es schon vor Jahren aus den Reihen von Salmonds Schottischer Nationalpartei (SNP). Seit 2007 herrscht Salmond im Edinburgher Regionalparlament unumschränkt.

Es gibt jedoch andere Erklärungen der schottischen Geschichte. Einerseits ticken Salmonds Landsleute anders als - vor allem südenglische - Bürger. Die Mehrheit im Norden denkt sozialer, kollektivistischer, eben »linker«. Andererseits haben Schottlands eigene Clanchefs und Kapitalisten - nicht nur Engländer - die erwähnten Missstände auf dem Gewissen; denn die wahren Grenzpfähle sind sozialer, nicht geografischer Art und verlaufen innerhalb eines jeden Landes. Dass ein Ölmulti die Vertreter zweier Regierungen und der wichtigsten Gewerkschaft in die Knie zwingen kann, zeigt erneut, dass der Separatismus ein Irrweg ist.

Salmond hofft, die von den in London herrschenden Konservativen abgestoßenen schottischen Wähler zu sich herüberzuziehen. Was nutzt es, in Schottland Labour zu wählen, wenn die viel zahlreicheren Engländer Britannien eine Tory-Regierung bescheren, argumentiert der Erste Minister. Aber seine Parolen werden laut Umfragen von der Mehrheit durchschaut. Die Anhänger der Kampagne »Ja zu Schottland« bringen es mit Ach und Krach auf 30 Prozent der Wähler, die sich schon festgelegt haben, die Gegner der Trennung (»Besser zusammen«) auf über 60 Prozent.

Viele Unsicherheiten hemmen Salmonds Unabhängigkeitskampf. Welche Währung würde nach einer Trennung gelten? Wer käme für die ausbleibenden englischen Subventionen auf, die Schottlands großzügigere Bildungs- und Gesundheitssysteme erst ermöglichen? Wird ein »freies« Schottland EU- und NATO-Mitglied bleiben? Bisher bleibt Salmond Antworten darauf schuldig. In der Stadt Dunfermline bekam er am Donnerstag einen Denkzettel: Bei einer Nachwahl nahm Labours Cara Hilton der SNP den Wahlkreis im Edinburgher Parlament mit klarer Mehrheit ab.

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