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Kopflos in Kiel

OB Susanne Gaschke tritt wegen Steuerskandal zurück

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Gezerre um die Kieler Oberbürgermeisterin ist vorüber. Nicht einmal die eigene SPD weint Gaschke hinterher. Innerhalb eines halben Jahres muss nun ein Nachfolger gefunden werden.

Nach neun Wochen Druck und Affäre ist Kiels Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke (SPD) zurückgetreten. Sie zieht damit die Konsequenzen aus den Turbulenzen um einen umstrittenen Steuerdeal, den sie Mitte Juni per mittlerweile als rechtswidrig bewertetem Eilentscheid in der Steuersache eines Augenarztes angeschoben hatte. Dabei ging um eine Gewerbesteuerschuld von 4,1 Millionen Euro, die in Immobiliengeschäften entstanden waren. Die wollte und sollte der Mediziner nach langen Jahren zu bezahlen beginnen, wofür ihm aber 3,7 Millionen Euro an Zinsen und Säumniszuschlägen erlassen werden sollten.

Die Kritik, die nach dem Bekanntwerden dieses Deals in den Medien an ihr geübt wurde, nannte Gaschke »zerstörerisch«. In ihrem zehnminütigen Auftritt im Rathausflur sprach sie sogar von »Hass« und Ehrverletzung ihr gegenüber. Gaschkes Erklärung war alles andere als ein Schuldgeständnis. Sie sei nur nicht mehr Willens, den Druck gegen sich und ihre Familie zu ertragen.

Damit spielte Gaschke implizit auf ihren Ehemann Hans-Peter Bartels an, der jüngst wieder für die SPD in den Bundestag eingezogen ist und sich in der Kieler Steueraffäre mit seinem - um Neutralität bemühten - SPD-Parteifreund und Innenminister Andreas Breitner angelegt hatte.

Die frühere »Zeit«-Journalistin Gaschke konnte sich mit dem Hinweis auf die Brutalität ihrer Gegner auch einen Seitenhieb auf ihren Amtsvorgänger Torsten Albig (SPD) nicht verkneifen. Sie nannte den jetzigen Ministerpräsidenten zwar nicht beim Namen, doch wenn sie »von manchen Funktionären der Landesregierung« sprach, war klar, dass auch Albig gemeint war. Der hatte parteiintern schon vor der Aufstellung Gaschkes für die OB-Wahl im Vorjahr keinen Hehl daraus gemacht, dass er ihr wegen mangelnder Verwaltungskenntnisse und Personalführungserfahrung das Amt gar nicht zutraute.

Nachdem Gaschkes Entscheidung in dem Steuerfall im August publik geworden war, hatte es Vorwürfe von allen Seiten gehagelt. Zuletzt stand nur noch die SPD-Fraktion im Kieler Rathaus hinter ihr, und selbst dort bröckelte es - wegen der Angriffe der Gescholtenen auf Albig und Breitner. Hätten nur wenige SPD-Ratsmitglieder am Donnerstag mit den anderen Parteien einem FDP-Antrag zugestimmt, hätte Gaschke ein förmliches Abwahlverfahren gedroht. Dieses Risiko wollte das Stadtoberhaupt dann wohl nicht mehr eingehen.

SPD-Landeschef Ralf Stegner, der sich in der delikaten Angelegenheit um einen Parteifrieden bemüht hatte, bezeichnete Gaschkes Schritt als eine notwendige Entscheidung. Persönliche Vorwürfe, die Gaschke in ihrer Erklärung gemacht habe, könne er aber nicht nachvollziehen. CDU und FDP nannten den Rücktritt lange überfällig, jetzt müssten noch weitere Hintergründe des Steuerdeals innerhalb der Kieler Verwaltung, der SPD und der Landesregierung aufgeklärt werden. Ministerpräsident Albig ließ verlauten, er habe Respekt vor der »sicher nicht einfachen« Entscheidung. Nun müsse die Landeshauptstadt nach vorne blicken.

Gaschke selbst muss erst einmal abwarten, was das staatsanwaltliche Verfahren gegen sie bringt. Es wird wegen eines Anfangsverdachts der Untreue ermittelt. Das Innenministerium hat gegen Gaschke auch ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Der Druck auf die SPD-Ratsmitglieder ist nun zunächst aus dem Kessel, dennoch steht den Stadtpolitikern an der Förde eine spannende Zeit bevor. Innerhalb eines halben Jahres muss ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gewählt werden, was Kandidatennominierungen und Wahlkampf bedeutet.

Die Geschäfte führt nun der grüne Bürgermeister Peter Todeskino, der bereits in der Übergangsphase zwischen dem Abtritt Albigs und der Wahl Gaschkes das Zepter in der Hand hatte. Ihn können sich viele Kieler auch als Kandidaten vorstellen. Kurz nach Gaschkes Abtritt erklärte er seine Bereitschaft dazu.

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