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Streit im deutschen Sport um zivile Gerichtsbarkeit

Claudia Pechstein macht gegen die Athletenvereinbarung mit dem DOSB mobil und wird von prominenten Kollegen unterstützt

  • Frank Thomas
  • Lesedauer: 3 Min.
Bislang unterzeichneten 55 deutsche Topsportler die Erklärung von Claudia Pechstein. Sie fordert, in strittigen Rechtsfragen auch vor zivile Gerichte ziehen zu können. Der Sportbund reagiert sauer.

Der Konflikt zwischen der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) spitzt sich zu. In einem Brief an deutsche Sportfunktionäre beschwerte sich die 41-Jährige am Mittwoch, dass Sportlern angeblich gedroht werde, wenn sie Pechsteins Erklärung zur Athletenvereinbarung unterschreiben. Mit ihrer Petition wendet sie sich gegen einen Passus in der Athletenvereinbarung, der einen Gang vor Zivilgerichte ausschließt.

»Sie können gewiss sein, dass die Zahl derer, die mit ihrer Unterschrift den Status quo der Athletenvereinbarung kritisieren, in den nächsten Tagen und Wochen noch steigen wird. Daran werden auch Einschüchterungsversuche einzelner Verbände, die möglichen Unterzeichnern mit Sanktionen drohen, nicht ändern«, schrieb Pechstein an DOSB-Generaldirektor Michael Vesper und Vertreter der deutschen Sportverbände.

Vesper wies die Vorwürfe umgehend zurück. »Das ist eine Verdrehung der Tatsachen«, sagte er am Mittwoch. »Es ist unmöglich, was Frau Pechstein da behauptet.« Jedoch solle sich künftig die Athletenkommission des Themas annehmen. »Es ist jedoch total widersprüchlich, dass Frau Pechstein auf der einen Seite Verschärfungen der Antidoping-Gesetzgebung verlangt und auf der anderen Seite die sofortige Bestrafung durch die Sportgerichtsbarkeit aushebeln will. Das ist absurd«, sagte Vesper. Andererseits äußerte er Verständnis für die besondere Situation Pechsteins, die ohne einen positiven Befund für zwei Jahre gesperrt worden war und nun vor dem Münchner Landgericht Schadensersatz in Höhe von 3,5 Millionen Euro vom Eislaufweltverband erstreiten will. »Ihre Schadenersatzklage ist verständlich. Aber Fehlurteile gibt es im Sport wie auch vor zivilen Gerichten. Aber es darf nicht jahrelang vor staatlichen Gerichten gestritten werden, wenn es gilt, Dopingsünder zu überführen«, sagte Vesper.

Der Sportrechtsprofessor Jens Adolphsen warnte nach dem Angriff Pechsteins auf die Schiedsgerichtsbarkeit im Sport vor weitreichenden Folgen. Wenn es den Internationalen Sportgerichtshof CAS nicht gäbe, »wäre der Sport im Eimer«, sagte der 46-Jährige. Adolphsen kritisierte ihren Vorstoß: »Das geht auch zulasten des Gesamtsportes. Damit instrumentalisiert sie andere Sportler, die ihre Erklärung unterschrieben haben und das sicher gar nicht erkennen.«

Bislang haben 55 deutsche Topsportler die Erklärung Pechsteins unterzeichnet. Stars wie die Leichtathletik-Weltmeister Robert Harting, Christian Obergföll und Raphael Holzdeppe erklärten, dass die Schadenersatzklage der Berlinerin ihnen deutlich gemacht habe, dass sie mit ihrer Unterschrift unter die Athletenvereinbarung auf das Grundrecht verzichteten, »selbst in existenziellen Fragen ein deutsches Gericht anrufen zu können«.

DOSB-Athletensprecher Christian Breuer, früher selbst Eisschnellläufer, wies Pechsteins Attacken zurück. »Das Problem ist uns bekannt, Claudia Pechstein hat uns nicht auf etwas Neues hingewiesen«, erklärte Breuer. Die Athletenkommission des DOSB habe daher einen Frage-Antwort-Katalog zu diesem Thema bei einer unabhängigen Institution in Auftrag gegeben, »um die spürbare Unsicherheit der Sportler in Fragen der Athletenvereinbarung und der Schiedsvereinbarung aufzuklären«.

Die nun offene Anfechtung der bestehenden Athletenvereinbarung durch einen Großteil deutscher Topsportler versetzt DOSB-Generaldirektor Vesper aber nicht in Panik: »Ich sehe das ganz gelassen.« Um Verständnis warb hingegen Biathlet Andreas Birnbacher, der zu den Unterzeichnern gehört. »Es geht darum, dass man die Möglichkeit hat, solch ein Problem vor deutschen Gerichten zu verhandeln. Deshalb habe ich mich der Aktion angeschlossen. Es ging nicht darum, Partei für irgendjemandem zu ergreifen«, sagte er am Mittwoch. Von Druck der Verbände, sich der Pechstein-Erklärung nicht anzuschließen, habe er aber nichts gespürt.

Unterstützung erhält Vesper wiederum von DOSB-Vizepräsidentin Christa Thiel, die den bisherigen Rechtsweg verteidigt. »Eine Schiedsgerichtsbarkeit ist in ganz vielen Lebensbereichen vereinbart. Das ist keine Besonderheit, sondern schon lange explizit in der Zivilprozessordnung geregelt«, sagte die Rechtsanwältin. dpa

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