Aufbruch in eine verborgene Welt

Von Mäusen, Meerschweinchen und einer genervten Ehefrau

  • Lesedauer: 4 Min.

Er war das dritte von dreizehn Kindern eines Grubensteigers, der schnell befördert wurde und zuletzt den gesamten Bergbau im Oberharz beaufsichtigte. Aufgrund des sozialen Aufstiegs seines Vaters konnte der von uns Gesuchte mit sieben Jahren ein humanistisches Gymnasium besuchen. Nachdem er hier mit 19 das Abitur abgelegt hatte, äußerte er den Wunsch, Lehrer werden zu wollen.

Er schrieb sich zu diesem Zweck an der Universität Göttingen ein und begann ein Studium der Philologie. Doch bereits nach einem Semester änderte er seinen Plan und wechselte zur Medizin. Obwohl er nebenher als Assistent am pathologischen Institut der Universität arbeitete, zeigte er zunächst wenig Interesse an einer Laufbahn als Wissenschaftler. Er beendete sein Studium mit der damals obligaten Promotion und gab zur Überraschung seiner Freunde kurz darauf bekannt, dass er sich mit einer Pfarrerstochter verlobt habe. Ein Jahr später heirateten beide. Als einziges Kind brachte seine Frau eine Tochter zur Welt, zu der er zeitlebens ein gutes Verhältnis hatte.

Beruflich ging es für ihn anfangs eher schleppend voran. Nach einer kurzen Tätigkeit als Assistenzarzt in einem Hamburger Krankenhaus wechselte er an die »Erziehungs- und Pflegeanstalt für geistesschwache Kinder« in Langenhagen bei Hannover. Da seine Einkünfte jedoch kaum ausreichten, um Frau und Tochter zu versorgen, eröffnete er zusätzlich eine Privatpraxis. Als man seine Dienste in Langenhagen nicht mehr benötigte, ließ er sich als Landarzt im märkischen Niemegk nieder und zog von da aus weiter nach Rakwitz bei Posen.

Bald darauf begann der Deutsch-Französische Krieg. Da er wegen seiner Kurzsichtigkeit vom Militärdienst befreit worden war, meldete er sich freiwillig zum Sanitätsdienst. Als Arzt gehörte es dabei zu seinen wichtigsten Aufgaben, sich um ruhr- und typhuskranke Soldaten zu kümmern. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg legte er das Physikatsexamen ab und wurde wenig später zum Kreisphysikus im Kreis Bomst ernannt. Obwohl er auch hier eine Privatpraxis betrieb, widmete er sich nun verstärkt der medizinischen Forschung - zum Leidwesen seiner Frau, denn die Mäuse und Meerschweinchen, die ihr Mann für seine Versuche hielt, hinterließen im Haus oft einen penetranten Geruch. In einer Reihe von Experimenten gelang ihm der Nachweis, dass so manch tödlich verlaufende Krankheit auf Ursachen beruht, die zuvor niemand ernsthaft in Betracht gezogen hatte. Dank dieser bahnbrechenden Entdeckung wurde er in Berlin zum Regierungsrat und später zum Leiter eines eigens für ihn geschaffenen Instituts ernannt. Denn es war ihm mittlerweile gelungen, den Auslöser einer Krankheit zu finden, an der damals jeder siebte Deutsche starb. Und auch ein Mittel zu deren Behandlung brachte er auf den Markt. Doch was zunächst wie ein Triumph der medizinischen Wissenschaft aussah, endete für zahlreiche Patienten tödlich. Der Grund: Der ansonsten so akribische Forscher hatte bei der Erprobung des Mittels grobe Fehler gemacht.

Sein guter Ruf wurde durch diesen Vorfall aber nur wenig beschädigt. Als er sich mit 47 Jahren por᠆trätieren ließ, lernte er im Atelier des Malers eine 17-jährige Schauspielerin kennen, in die er sich verliebte, und die er kurz nach seiner Scheidung heiratete. Anders als seine erste zeigte seine zweite Frau ein lebhaftes Interesse an seiner Forschungstätigkeit und nahm zuletzt auch an seinen Expeditionen teil, die keineswegs ungefährlich waren.

Er selbst infizierte sich dabei mehrfach mit Tropenkrankheiten, unter anderem mit Malaria. Seine Arbeit im Labor gab er deswegen allerdings nicht auf, auch wenn die gesundheitlichen Probleme sich häuften. Erst ein Herzanfall machte es notwendig, dass er sich in einem Sanatorium in Baden-Baden behandeln ließ. Hier starb er im Alter von 66 Jahren. Wer war’s?


Für drei Gewinner dieser Folge stellt der Verlag Knesebeck den Band »Die Meister der Naturfotografie. Wildlife Fotografien des Jahres« zur Verfügung.
Einsendeschluss: 20. November

Die Lösung
Der Schriftsteller, nach dem wir letztes Mal fragten, war: Heinrich Mann. Gewonnen haben:

Renate Müßig, Plauen; Göran Andersson, Greve; Gerda Rost, Chemnitz. Die Gewinner sind mit der Veröffentlichung einverstanden.

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