nd-aktuell.de / 02.11.2013 / Brandenburg / Seite 14

Handwerk kann nicht klagen

Hälfte der Bauunternehmen meldet einen Auslastungsgrad von 100 Prozent

Wilfried Neiße
Das Handwerk in Brandenburg blickt jetzt auf erstaunliche vier erfolgreiche Jahre zurück, und ein Ende der wirtschaftlich günstigen Phase ist »trotz leichter Eintrübungen« nicht abzusehen.

Nach wie vor befindet sich sein Wirtschaftszweig auf einem stabilen Kurs, sagte Jürgen Rose, Präsident des brandenburgischen Handwerkskammertages, als er die Ergebnisse der diesjährigen Herbstkonjunkturumfrage in Potsdam vorstellte.

Diese positive Einschätzung gelte für alle Teile des Bundeslandes mit der Einschränkung, dass sich die Verhältnisse zum Osten und zum Süden hin tendenziell etwas ungünstiger darstellen, fügte Rose hinzu.

Die Gesamtsituation machte er anhand des Handwerkskammerbezirkes Potsdam deutlich, dessen Präsident er ebenfalls ist. Demnach konnten zirka 3500 befragte Unternehmen bei der Beurteilung ihrer Geschäftslage die hohen Werte der vergangenen beiden Jahre - es waren 92 Prozent - zwar nicht ganz erreichen, doch stolze 89 Prozent aller Betriebe zeigten sich erneut zufrieden mit ihrer Wirtschaftslage. »Jeder Zweite bezeichnet seine Geschäftslage sogar als gut bis sehr gut.« Aktuell kommen die besten Werte aus dem Baugewerbe. Sogar die Kraftfahrzeugbranche habe sich von ihrem Frühjahrstief erholt, merkte Rose an. »Die Finanz- und Schuldenkrise in Europa tangiert das Handwerk offensichtlich kaum: Das Handwerk ist in guter Verfassung.« Später ließ Rose durchblicken, dass diese Krise den Handwerkern sogar in die Hände spiele. Denn die Angst vor einer Geldentwertung veranlasse die Menschen verstärkt dazu, in ihre Grundstücke und Häuser zu investieren. Fast die Hälfte des Bauhauptgewerbes melde einen Auslastungsgrad von 100 Prozent. »Wer sich jetzt noch entscheidet, vor Weihnachten solche Arbeiten auf dem Grundstück ausführen zu lassen, der wird Mühe haben, dafür Handwerker zu bekommen.«

Statistisch gesehen hat sich die Auftragslage bei sechs Prozent der befragten Betriebe verbessert. Das ist nur ein Prozent weniger als im Vorjahr. Im Schnitt haben die Handwerker Aufträge für sieben Wochen »im Kasten« und eine durchschnittliche Kapazitätsauslastung von 84 Prozent. Die positiven Werte des Vorjahres seien damit erreicht worden, unterstrich Rose.

Im Vergleich zu 2012 entwickelten sich die Umsätze leicht negativ. Per Saldo meldeten im dritten Quartal letzten Jahres vier Prozent der Befragten ein Umsatzplus. Aktuell berichtet das nur ein Prozent. Der Personalabbau vom Frühjahr hat sich nicht fortgesetzt. 16 Prozent aller Befragten haben Mitarbeiter eingestellt und elf Prozent ihren Personalbestand verringert.

Als Problem nennen die Handwerker neben den weiter gesunkenen Lehrlingszahlen die nahezu ungebremst steigenden Energiekosten. Rund die Hälfte der Betriebe berichte von gestiegenen Preisen für Material, Rohstoffe und Energie, sagte Rose. Doch weniger als ein Fünftel habe aus diesen Gründen die eigenen Preise erhöhen, die gestiegenen Kosten also weitergeben können. Der Präsident verwies auf den Vorschlag des Handwerks, für Kleinunternehmen einen Sockelverbrauch von 4000 Kilowattstunden jährlich von der Steuer auszunehmen.

Die maßgeblichen Wirtschaftsgutachten haben deutschlandweit die Erwartungen für das Wirtschaftswachstum von 0,8 auf 0,4 Prozent reduziert, sagte der Präsident, doch »eine solche Verringerung wurde schon im Vorjahr vorgenommen und hat sich nicht bewahrheitet«.

Laut Hauptgeschäftsführer Ralph Bührig sind die Erwartungen der Handwerker wegen der noch ungeklärten Koalitionsfrage und der ungewissen Ausrichtung der künftigen Bundespolitik »insgesamt gesehen sehr verhalten«. Falls ein verbindlicher Mindestlohn zur Pflicht gemacht werden sollte, müsste sich ein Teil der Unternehmen überlegen, ob er seine Mitarbeiterzahl im bisherigen Umfang beibehalten könne. Auch werde es dann schwieriger, zwischen unqualifizierter und hoch qualifizierter Arbeit einkommensmäßig angemessen zu unterscheiden.

Obwohl das Fachkräfteproblem noch kein unmittelbar drängendes sei, müssten sich die Handwerker auf tendenziell geringere Nachwuchszahlen einstellen. Mit 1085 besetzten Lehrstellen sei die Zahl im Kammerbezirk Potsdam noch einmal gesunken. Der Hauptgeschäftsführer kündigte ein Testprojekt an, um im kommenden Jahr spanische Jugendliche zu einer Handwerkerlehre in Deutschland zu bewegen. Auch wenn dies im Einzelfall gelingen sollte, würden sich statistisch messbare Effekte aber aller Wahrscheinlichkeit nach dadurch nicht ergeben, fügte Bührig hinzu.

Er sprach von »Baustellen« in der Energiepolitik, welche die alte Bundesregierung hinterlassen habe, und dass die vielbeschworene Energiewende bislang nur auf dem Papier stehe. Erneut brachte er die Forderung des Handwerks nach einer steuerlichen Anerkennung der energetischen Gebäudesanierung ins Spiel. »Das wäre eine echte Beschleunigung der Energiewende, schließlich entfallen in Deutschland 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs auf Gebäude.« Den Plan der rot-roten Landesregierung, per Gesetz Hauseigentümer zu verpflichten, die Wärmedämmung an benachbarten Gebäuden zu dulden, nahmen Rose und Bührig positiv auf.