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Mädchen, Junge oder beides

Eltern müssen ihren Babys kein eindeutiges Geschlecht mehr zuweisen

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 2 Min.
Seit November gilt ein neues Personenstandsgesetz. Intersexuelle fordern, ihr Geschlecht selbst bestimmen zu können.

Mädchen oder Junge? Die Frage nach dem Geschlecht des Kindes müssen Eltern in Deutschland nicht mehr beantworten. Jedenfalls nicht mehr sofort nach der Geburt gegenüber Ärzten und Behörden. Zum 1. November ist das sogenannte Personenstandsgesetz geändert worden. Eltern von Säuglingen, die sowohl mit männlichen als auch weiblichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt kommen, müssen sich nun nicht mehr innerhalb von einer Woche entscheiden, ob sie lieber ein Mädchen oder einen Jungen ins Geburtenregister eintragen lassen.

Die neue Regelung, die etwa jedes fünftausendste Neugeborene in Deutschland betrifft, hatte der Deutsche Ethikrat empfohlen. In seiner im Februar 2012 veröffentlichten Stellungnahme hatte er die Auffassung vertreten, dass ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf Gleichbehandlung vorliege, wenn Menschen gezwungen würden, sich im Personenstandsregister als »weiblich« oder »männlich« einzutragen. »Zahlreiche betroffene Menschen, die in ihrer Kindheit einem «normalisierenden» Eingriff unterzogen wurden, empfanden ihn später als verstümmelnd und hätten ihm als Erwachsene nie zugestimmt«, hieß es. Im Januar wurde das Gesetz verabschiedet.

Verbänden für die Rechte intersexueller Menschen sind die Regelungen zu uneindeutig formuliert. So könnten sie letztlich zu einer größeren Verunsicherung führen und möglicherweise sogar zu einem »Anstieg der menschenrechtswidrigen Inters*x-Genitalverstümmelungen«, heißt es in einer Stellungnahme der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org. Der Gesetzestext lässt nämlich offen, wann wer das Geschlecht des Kindes festlegen soll. Für Zwischengeschlecht.org ist klar: »Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.«

Genau genommen macht das Gesetz keine Angabe darüber, ob irgendwann die Entscheidung zum Mann oder zur Frau getroffen werden muss. Dort heißt es nämlich lediglich, dass »wenn ein Kind weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden kann, die Angabe in das Geburtenregister weggelassen wird«.

Für das Innenministerium ist das nur ein temporärer Zustand. Eine neue Geschlechtskategorie solle nicht eingeführt werden, sagte ein Sprecher. Die Begründung: »In der gesamten Rechtsordnung, insbesondere im Verfassungs- und Zivilrecht, existieren nur die Geschlechter männlich und weiblich.« Ein zu hoher Verwaltungsaufwand also.

Ob die Gesetzesänderung auch gesellschaftliche Gewohnheiten verändern wird, bleibt abzuwarten. Bis dahin werden künftige Eltern weiterhin mit der Frage konfrontiert: »Mädchen oder Junge?«

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