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Kursänderung in Bayerns Asylpolitik

Neue Sozialministerin will Essenspakete abschaffen - der Flüchtlingsrat begrüßt das, fordert aber weitere Schritte

  • Johannes Hartl
  • Lesedauer: 3 Min.
Bayerns neue Sozialministerin plant bemerkenswerte Änderungen in der Asylpolitik des Freistaates. Initiativen und Opposition begrüßen dies, verweisen aber auf die Notwendigkeit weitergehender Reformen.

Das CSU-geführte Bayern ist seit jeher für seinen rigiden Umgang mit Flüchtlingen bekannt, die Bedinungen für schutzsuchende Menschen im Freistaat gelten als katastrophal. So ist die Unterbringung in Lagern Standard, Asylbewerber dürfen ihre Regierungsbezirke nicht verlassen, nicht arbeiten oder studieren und müssen sich mit Essenspaketen ernähren. Diese menschenunwürdigen Zustände haben zuletzt zu mehreren Protestaktionen geführt wie etwa dem Hunger- und Durststreik am Münchner Rindermarkt im Juni sowie dem Protestmarsch in Richtung der Landeshauptstadt München im August dieses Jahres.

Durch die Aktionen unter Druck gesetzt, sah sich Bayerns Staatsregierung bereits vor der Landtagswahl im September zum Handeln gezwungen - und hat kleine Novellierungen am Umgang mit Asylbewerbern vorgenommen. Unter anderem hat die damalige Sozialministerin Christine Haderthauer den umstrittenen Passus in der Asyldurchführungsverordnung streichen lassen, wonach die Bedingungen in den Unterkünften »die Bereitschaft zur Rückkehr ins Heimatland fördern« sollen. Weiterhin hat die CSU-Politikerin den jeweiligen Bezirksregierungen freigestellt, ob bei ihnen Essenspakete verwendet werden sollen oder nicht. Unmittelbar nach den Änderungen haben Initiativen wie der »Bayerische Flüchtlingsrat« diese als »Farce« kritisiert und stattdessen einen »grundlegenden Richtungswechsel« gefordert.

Knapp zwei Monate nach der Landtagswahl will Bayerns neue Sozialministerin Emilia Müller jetzt aber offenbar weitere Änderungen voranbringen. Geht es nach der Oberpfälzer CSU-Politikerin, sollen Flüchtlinge ihre Lebensmittel fortan selbstständig kaufen können und zu diesem Zweck mit Geld ausgestattet werden. Außerdem will Müller eine dritte Aufnahmeeinrichtung schaffen und einen schnelleren Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Entsprechendes wolle sie bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin voranbringen, wird die Sozialministerin in der Online-Ausgabe der »Süddeutschen Zeitung« zitiert.

Die nun angekündigten Änderungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik bedeuten einen Richtungswechsel im bisherigen Kurs der CSU und werden dementsprechend positiv kommentiert. Initiativen wie der »Bayerische Flüchtlingsrat« und Oppositionsparteien wie die SPD und die Grünen begrüßen die geplanten Erneuerungen. »Wir begrüßen es sehr, dass Emilia Müller einer alten Forderung der Flüchtlinge in Bayern und des Bayerischen Flüchtlingsrats nachkommt und die Zwangsversorgung mit Essenspaketen abschafft«, sagt Flüchtlingsrats-Sprecher Tobias Klaus in einer Erklärung.

Auch die asylpolitische Sprecherin der bayerischen Grünen, Christine Kamm, und die SPD-Sozialpolitikerin Angelika Weikert kommentieren die geplanten Änderungen im Umgang mit Asylbewerbern positiv, verweisen jedoch ebenso wie der »Bayerische Flüchtlingsrat« auf die Notwendigkeit von weiteren Schritten. Neben den angekündigten Maßnahmen müsste auch noch der Lagerzwang abgeschafft werden, verlangt Tobias Klaus. SPD und Grüne wollen zudem eine Abschaffung der Residenzpflicht und fordern »flächendeckende Deutschkurse« und mehr Sozialberatung für Flüchtlinge.

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