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Italien kämpft gegen »Banditen«

Regionalbank von Reggio Emilia sperrt gefährdeten Kunden die Kreditkarten

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Banca Popolare di Reggio Emilia, eine Lokalbank aus Mittelitalien, will gegen das Glückspiel bzw. die Spielsucht vorgehen, die in der Gegend besonders virulent ist.

Es wurde also beschlossen, die Kreditkarten von »auffälligen« Kunden zu sperren oder sie so zu programmieren, dass man damit im Netz keinen Zugang zu bestimmten Seiten hat, auf denen Glückspiel angeboten wird. Gleichzeitig erhalten die Angestellten eine Schulung, wie man mit Spielsüchtigen umzugehen hat. »Wir haben eine soziale Verantwortung für das Gebiet, in dem wir tätig sind.« Mit diesen Worten hat die Bank Popolare di Reggio Emilia (eine Stadt nordwestlich von Bologna) erklärt, sie werde sich ab sofort aktiv gegen das Glücksspiel engagieren. Die erste Maßnahme: Auffälligen Kunden wird die Kreditkarte gesperrt.

Glückspiel, sei es nun legal oder illegal, ist in Italien ein ganz großes soziales Problem. Während Fabriken und kleine Läden überall im Lande schließen müssen, schießen Spielsalons und Wetthallen wie Pilze aus dem Boden. In praktisch jeder Bar (und man weiß, wie oft und gerne Italiener dort ihren Espresso trinken) und in jedem Zigarettenladen stehen einarmige Banditen und ihre modernen elektronischen Brüder; überall - selbst bei der Post, in Supermärkten und Banken - gibt es Rubbellose zu kaufen, und Lotto kann man in seinen verschiedenen Varianten praktisch rund um die Uhr und auch vom Computer oder Handy aus spielen. Verdienen tut daran der italienische Staat, der ein Glücksspielmonopol hat - und die organisierte Kriminalität. Die steckt hinter zahlreichen Firmen, die Spielsalons betreiben und kann dort problemlos Millionengewinne aus dem Drogenhandel waschen. Außerdem sind kriminelle Geldverleiher oft die letzte Anlaufstelle für spielsüchtige Menschen. Hinzu kommt, dass die Mafia selbst illegales Glückspiel organisiert, was aber kaum mehr notwendig ist, da es unendlich viele legale Möglichkeiten gibt.

Man schätzt, dass die Zahl der Spielsüchtigen in Italien bei über 400 000 liegt - Tendenz rapide steigend. Wenn in den letzten fünf Jahren die Anzahl der Patienten in Suchtberatungsstellen (Drogen und Alkohol) um 23 Prozent gestiegen ist, hat die Zahl der Menschen mit Spielsucht, die hier Hilfe suchen, um fast 700 Prozent zugenommen! »Glücksspiel ist die Sondersteuer für die Armen, die sich der Illusion hingeben, dass sie ihre Situation mit einem fetten Gewinn verbessern können«, sagt Don Luigi Ciotti, Leiter der Anti-Mafia-Organisation »Libera«, die sich mit der Verbindung zwischen organisierter Kriminalität und Glücksspiel beschäftigt. Die Glückspielindustrie ist die drittstärkste Wirtschaftsmacht im Lande und die mit der höchsten Wachstumsrate: Im Jahr 2000 betrug der Umsatz 14,3 Milliarden Euro, 2011 waren es fast 80 Milliarden und 2012 sogar 94 - dazu kommen noch etwa 10 Milliarden illegaler Umsatz.

Den italienischen Rekord der Spielautomaten hält Pavia, südlich von Mailand. Hier kommt eine »Geldverschlingungsmaschine« auf 110 Einwohner und durchschnittlich gibt jeder Bewohner der Stadt (egal ob er spielt oder nicht) fast 2000 Euro im Jahr für Glückspiel aus. Der Landesdurchschnitt liegt bei 150 Personen pro Automat mit einer Ausgabe von 1260 Euro. Seit 1997 hat praktisch jede italienische Regierung irgendein neues Glückspiel autorisiert, um die Staatskassen aufzubessern!

Mit der Wirtschaftskrise und den Möglichkeiten wächst die Zahl der Spielsüchtigen. Pro Jahr - so hat »Libera« errechnet - belaufen sich die sozialen und gesundheitlichen Schäden auf 6,6 Milliarden Euro. Inzwischen gibt es vor allem in Norditalien immer mehr Anlaufstellen und Einrichtungen, die Spielsüchtigen gewidmet sind. Auch der Verbraucherschutzverband Codacons hat einen Dienst mit Anwälten und Psychologen eingerichtet, der vor allem den Angehörigen der Spielkranken helfen soll.

Jetzt will sich auch die Volksbank von Reggio Emilia an der Bekämpfung des Glückssiel beteiligen. Ihre Kreditkarten sind für alle gängigen Spielportale im Internet gesperrt. Außerdem nehmen die Bankangestellten an einer Schulung teil, wo sie lernen sollen, gefährdete Kunden zu erkennen, mit ihnen zu sprechen und Hilfsorganisationen zu melden.

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