nd-aktuell.de / 05.11.2013 / Politik / Seite 14

Wo Fledermäuse Brücken bekommen

Die Stadt Biberach gab 400 000 Euro für Spezialüberführungen aus - ob diese Art Tierschutz funktioniert, ist unklar

Kathrin Streckenbach, Biberach
An der Ortsumfahrung von Biberach in Baden-Württemberg wurden zwei teure Brücken für Fledermäuse gebaut. Beim Bund der Steuerzahler sieht man das Projekt sehr skeptisch.

»Habe ich im Bio-Unterricht gepennt oder gibt es spezielle Watschelfledermäuse?«, schreibt ein User bei Twitter. Die Gründe für sein Unverständnis sind grau, etwa fünf Meter breit und mehr als 30 Meter lang: Zwei Fledermausbrücken führen seit einigen Monaten über die Nordwestumfahrung von Biberach in Oberschwaben. Sie sollen den nachtaktiven Tiere eine gefahrlose Überquerung der Straße ermöglichen. Rund 400 000 Euro wurden für die Brücken ausgegeben - und viele fragen sich: Können die Tiere nicht einfach drüber fliegen?

Geht nicht, sagt der Tierökologe Jürgen Trautner. »Es gibt verschiedene Arten von Fledermäusen. Manche fliegen und jagen sehr knapp über dem Boden.« Wenn sie dabei eine Straße überquerten, befänden sich die Tiere direkt auf Fahrzeughöhe. Dadurch könnten sie leicht mit Autos oder Lastwagen zusammenstoßen und verletzt oder getötet werden, sagt Trautner, der den Landkreis bei Entwicklung und Bau der Fledermausbrücken beraten hat.

Ähnlich argumentiert auch der Leiter des Straßenamtes im Kreis, Georg Stolz. Die Ortsumfahrung durchschneide zwei Waldstreifen, in denen elf verschiedene Arten von Fledermäusen lebten. Mit der Anpassung des deutschen Naturschutzgesetzes an europäische Auflagen im Jahr 2007 seien die artenschutzrechtlichen Bestimmungen deutlich verschärft worden, sagt er. Beim Bau der Umgehung habe sich der Landkreis daher an verschiedene Auflagen halten müssen - darunter auch an das Tötungsverbot im Artenschutz.

»Heute gibt der Naturschutz den Straßenverlauf vor«, sagt Stolz. »Ohne die Fledermausbrücken gäbe es keine Straße.« Und damit auch nicht 16 000 Fahrzeuge weniger, die täglich durch Biberach und eine benachbarte Gemeinde führen. Um einige hundert Tiere geht es in dieser Gegend, schätzt Trautner. Da Fledermäuse jedes Jahr nur wenig Nachwuchs auf die Welt brächten, könne sich die Gefährdung durch den Straßenverkehr gravierend auf ihre Bestände auswirken. Die Brücken sollen wie eine Art Trichter funktionieren. Denn die Tiere orientieren sich mit Ultraschallwellen in ihrer Umgebung. Durch die Gegenstände in ihrer Flugbahn - Bäume, Zäune, Pflanzen, die links und rechts der Bauten stehen - werden sie direkt zu den beiden Querungsbrücken geleitet. Soweit zumindest die Theorie. Denn erwiesen ist das in der Praxis noch nicht, sagt der Tierökologe.

Da die Fledermäuse derzeit im Winterschlaf sind, müssen die Macher noch bis Mai kommenden Jahres warten, bis sie die Funktionalität unter anderem mit Infrarotkameras überprüfen können. »Wir gehen aber davon aus, dass es funktioniert«, sagt der Tierökologe Trautner. »Sonst hätten wir das ja nicht vorgeschlagen.« Alternativen zu der Brücke seien zudem deutlich teurer gewesen, fügt Stolz hinzu: So hätte eine klassische sogenannte Grünbrücke eine Million Euro gekostet.

Skeptisch zeigt sich der Bund der Steuerzahler, der erst kürzlich infrage stellte, ob die Tiere mit den Brücken überhaupt etwas anfangen können. »Hoffentlich fangen die Kameras auch Bilder von freudig fliegenden Fledermäusen ein, denn sonst sind nicht nur die Baukosten in den Sand gesetzt, sondern auch noch zusätzliche 35 000 Euro für die Überwachungsmaßnahmen«, schreibt der Bund in seinem Schwarzbuch 2013. Und weiter heißt es: »Übrigens: Wenn die Fledermäuse nichts mit der Brücke anfangen können, dann kann es niemand. Denn für Fußgänger sind die Brücken nicht freigegeben.« dpa/nd