Riesenschritte zur Großkoalition

Union und SPD einig über Wirtschafts- und Außenpolitik / CSU pocht auf Maut für Pkw

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz des NSA-Skandals wollen Union und SPD das Land strikt im Kielwasser der USA halten. Einig ist man auch bei Wirtschaftsthemen wie der Mietproblematik. Ungeklärt bleiben noch Rentenfragen.

Ralf Stegner gab sich noch skeptisch. Ob es mit einer Großen Koalition überhaupt klappen werde, sei weiterhin offen, äußerte der als Parteilinker geltende SPD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein vor den Verhandlungen am Dienstag. Immerhin müsse ja die Basis zustimmen. Doch Sigmar Gabriel sprach zugleich Klartext: »Ich finde, es läuft gut«, sagte der SPD-Chef zum bisherigen Verlauf der Verhandlungen in zwölf Arbeitsgruppen.

Am Dienstag standen die Zeichen bei dem dritten Treffen der 75 Verhandler offenbar auf Einigung. Zum Beispiel in der Außenpolitik: Obwohl kolportiert wurde, es seien beim Thema Rüstungsexporte und dem Verhältnis Deutschlands und der EU zur Türkei noch »Formulierungen« offen, ist das Ergebnis in puncto Äußeres ein »Weiter so«.

Ausdrücklich betont wurde dabei ein weiterhin sehr enges Verhältnis zu den USA - obwohl im Zusammenhang des NSA-Spionageskandals erst jüngst öffentlich geworden war, dass US-amerikanische Regierungen offenbar routinemäßig schwere Straftaten gegen höchste Institutionen der Bundesrepublik angeordnet haben. War dies das Ende der Debatte um eine Zukunft des Aufdeckers Edward Snowden in Deutschland?

Auch auf wirtschaftspolitischem Terrain geht es nun mit Riesenschritten in die Große Koalition. Demnach soll zum Beispiel - vorbehaltlich der Finanzierung, die erst am Schluss besprochen werde - ganz Deutschland bis 2018 mit schnellem Internet versorgt werden, was den Bund bis zu einer Milliarde Euro jährlich kosten könne.

Des Weiteren drang aus den Verhandlungen nach außen, dass kleine und mittlere Unternehmen künftig Forschungskosten besser steuerlich geltend machen können sollen, Internetgeschäftsideen und Existenzgründungen sollen besser gefördert werden - Schwarz-Gelb hatte Gründerzuschüsse für Arbeitslose beschnitten, die nun wieder zu einer Pflichtleistung werden sollen.

Für Arbeitnehmer, die wegen der Pflege von Angehörigen beruflich kürzer treten wollen, soll es einen Anspruch auf eine Befristung der Teilzeitbeschäftigung geben. Für die Elternzeit sollen auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers 24 statt zwölf Monate zwischen dem dritten und dem vierzehnten Lebensjahr des Kindes von Müttern oder Vätern in Anspruch genommen werden können.

Am späten Montagabend einigten sich Union und SPD auf ein »Paket für bezahlbares Bauen und Wohnen«. In Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten sollen bei Neuvermietungen maximal zehn Prozent aufgeschlagen werden dürfen, zudem werden Neubauten steuerlich gefördert. Bisher war die SPD für eine flächendeckende Bremse eingetreten. Prompt gibt es Kritik: »Was heute von Schwarz-Rot als Mietpreisbremse verkauft wurde, verdient diesen Namen nicht«, erklärte etwa die LINKE-Vizevorsitzende Caren Lay: »Eine Mietpreisbremse ist nur effektiv, wenn sie Mieterhöhungen bei Neuvermietungen ausschließt.« Beschlossen ist aber immerhin auch die Wiedereinführung des 2011 gestrichenen Heizkostenzuschusses für Geringverdiener.

Angetreten war die SPD zum »Gerechtigkeitswahlkampf« - doch gerade bei aufgeschobenen Gerechtigkeitsthemen wie der Ost-West-Angleichung der Renten oder der Linderung von Altersarmut gibt es keine Ergebnisse. Nach einem Bericht der »FAZ« sollen aber die Rentenbeiträge nicht - wie eigentlich vorgesehen - zum Jahreswechsel von derzeit 18,9 auf 18,3 Prozent sinken. Womöglich werde eine entsprechende Gesetzgebung bereits vor dem Ende der Verhandlungen eingeleitet.

Auch bei der Rente mit 67 hat sich nichts bewegt. Die SPD hatte im Wahlkampf gefordert, die Anhebung des Rentenalters auszusetzen, bis mindestens die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen tatsächlich sozialversichert beschäftigt sei. Außerdem sollte in jedem Fall nach 45 Beitragsjahren ein abschlagsfreier Renteneintritt möglich sein. Bereits vor der Wahl hatte Spitzenkandidat Peer Steinbrück allerdings einen Rückzieher gemacht und angekündigt, diese Beschlusslage werde auf sein »100-Tage-Programm« keinen Einfluss haben.

Unklar ist auch die Zukunft des CSU-Wahlkampfschlagers »Pkw-Maut für Ausländer«. Am Dienstag pochte CSU-General Alexander Dobrindt auf die mittlerweile modifizierte Seehofer-Idee. Im TV-Duell hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine solche Maut noch ausgeschlossen. Zuletzt hieß es, man müsse das Kanzlerinnenwort »im Kontext« bewerten. Kommentar Seite 4

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