Missstimmung im Fliegerhorst

Historiker bahnte Kontakte nach Guernica an und darf Besucher nicht begleiten

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 2 Min.
Museumsbetreiber in einem Fliegerhorst nahe Hannover, wo einst Piloten des Nazireichs trainierten, empfangen Besucher aus dem spanischen Guernica. Ein kritischer Historiker ist nicht willkommen.

Im niedersächsischen Wunstorf ist es zum Eklat zwischen den Betreibern eines lokalen Militärmuseums und einer Historikerinitiative gekommen. Auslöser des Streits ist ein Brief der lokalen »Traditionsgemeinschaft Lufttransport Wunstorf e.V.«. Der Verein betreibt am Rande des örtlichen Luftwaffenstützpunktes ein kleines Museum, in dem ein restauriertes Junckers-Flugzeug, Modell Ju 52, ausgestellt wird. Diese »Ju-52-Halle« soll an diesem Sonntag eine Besuchergruppe aus dem baskischen Guernica empfangen. Ein heikles Unterfangen: Am Fliegerhorst Wunstorf wurden die Flieger der Nazi-Luftwaffe ausgebildet, die am 26. April 1937 mit einem Flächenbombardement große Teile von Guernica zerstörten. Hunderte Menschen kamen ums Leben. Einige der beteiligten Flugzeuge kamen aus Wunstorf, auch das restaurierte Modell stammt aus NS-Zeiten.

Gerade wegen dieser Geschichte hatte sich der Historiker Hubert Brieden um den Kontakt nach Guernica bemüht. Brieden gehört dem Hannoveraner Arbeitskreis Regionalgeschichte an. Die Initiative hat sich die Aufarbeitung der Nazi-Geschichte zur Aufgabe gemacht, »weil in den offiziellen Ortschroniken die Zeit des Nationalsozialismus verschwiegen« werde. Bei den militärischen Traditionspflegern vom Fliegerhorst kommt das nicht gut an. Anfang der Woche erreichte Brieden per Einschreiben ein Brief der Traditionsgemeinschaft. »Um eine Missstimmung vor den Augen der spanischen Besucher zu vermeiden« möge Brieden die Gäste aus Guernica nicht begleiten, schrieb ein Museumsvertreter - »da ich Sie (...) nicht in der Ju-52-Halle haben möchte«. Dem Historiker wird mit Hausverbot gedroht.

Für Nachfragen war der Militärverein am Freitag nicht zu erreichen. So blieb die Frage offen, inwieweit die Betreiber des privaten Luftwaffenmuseums gegenüber den Besuchern aus Guernica auf die Nazi-Geschichte des Ortes und der Junckers-Militärflugzeuge eingehen werden. Nach Angaben von Aktivisten vor Ort wird die Bedeutung des Fliegerhorsts Wunstorf »in den nationalsozialistischen Zeiten nur sehr marginal behandelt«. Viele Details wie etwa die Verbindung zur Vernichtung Guernicas würden ausgeblendet und verschwiegen.

Der Disput zwischen dem Militärverein - der maßgeblich aus aktiven und ehemaligen Soldaten besteht - und den kritischen Historikern ist Teil des Ringens um die Geschichtsdeutung. Während Brieden in der Ju-52-Halle mit Hausverbot gedroht wird, hat der von ihm mitgeführte Arbeitskreis Regionalgeschichte im benachbarten Neustadt eine Ausstellung über den Angriff auf Guernica organisiert. Titel: »Geschichte und Gegenwart eines deutschen Kriegsverbrechens«.

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