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Wartestellung im Kampfanzug

Vage Ankündigungen statt klarer Positionen beim CDU/CSU-Strategiegipfel

  • Lesedauer: 3 Min.

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INlalüfeinem StratetjietreffenVÖn‹ CDU›– und CSU gestern in Berlin teilten Angela Merkel und Edmund Stoiber vor allem mit, dass sie noch nicht recht wissen, was sie wollen.

Es war fast wie in der griechischen Tragödie, wo die Chorführer im Wechselgespräch das Publikum über den Fortgang der Handlung ins Bild setzen. Erst teilte Angela Merkel mit, man habe in «konstruktiver und außerordentlich kooperativer Atmosphäre» miteinander gesprochen, dann echote Edmund Stoiber, es sei ein «außerordentlich intensives und sehr gutes Gespräch» gewesen. Merkel sprach zur Steuerreform, Stoiber über die Renten, Merkel über Europa, Stoiber zur Einwanderung, dann äußerte sich Merkel zur Atom- und Energiepolitik, worauf allerdings Stoiber eine Anmer kung machte, der Merkel eine Anmerkung zu den Renten folgen ließ. Hätte man die Zeit gestoppt, wäre man wohl zumindest

bei den Statements auf gleiche Zeitfonds «.-gekommen - eine fast schon zu perfekte Demonstration von Geschlossenheit, um ?.glaubhaft zu sein. ,ä T

Denn in der Sache war wenig Verbindliches zu hören, eher eine Beschreibung von Optionen, Handlungsmöglichkeiten als klare Positionsbestimmungen, über die offensichtlich noch Gesprächsbedarf besteht. So bekräftige Merkel zwar, dass Personenunternehmen bei der Besteuerung gegenüber Kapitalgesellschaften nicht benachteiligt werden dürfen, beschränkte ihre »Vorschläge« jedoch darauf dass die Steuerreform in ihrer endgültigen Form »die Handschrift der Union« tragen werde. Ein Blockade, ergänzte Stoiber, werde es nicht geben.

Zu Europa kündigte die CDU-Vorsitzende nach milder Kritik an Außenminister Fischer eine gemeinsame Kommission der Schwesterparteien zur Koordinierung an, nachdem Stoiber jüngst seine kritische Haltung zu bestimmten europapolitischen Entwicklungen forciert hatte. In der Ener giepolitik bekräftige Merkel die Ablehnung des Atomausstiegs, und der bayerische Ministerpräsident drohte mit einer Verhinderungsstrategie über das Bauund Wasserrecht gegen die von der Koalition erwogenen Zwischenlager bei der Entsorgung.

Merkel und Stoiber versuchten zwar wiederholt, eigene Unentschiedenheit mit »Durcheinander« und Widersprüchlichkeit im Regierungslager zu begründen. Dennoch war nicht zu verbergen, dass die Union auf die derzeitige koalitionäre Er folgssträhne noch keine Antwort gefunden hat und äußerst behutsam agiert. Über die im NRW-Wahlkampf so rigoros bekämpfte »Greencard« wollen die unionsgeführten Länder nun am 9 Juni im Bundesrat nach Vorliegen des Gesamtkonzepts entscheiden, und Stoiber er klärte gar, für ihn sei die Ablehnung einer entsprechenden Verordnung »nicht von besonderer Bedeutung«. Allerdings dringt der CSU-Chef auf ein Einwanderungsbegrenzungsgesetz, das zwar die Ansiedlung von »Köpfen, die unserem Land helfen«, ermöglichen soll - jedoch zu Ungunsten jener, die sich nach Stoibers Meinung nicht auf das Asylrecht berufen können.

Man betrachte die Genfer Flüchtlingskonvention zwar als wichtiges Dokument, doch- sei auch da das Asylrecht »kein ver bürgtes Grundrecht«.

Auch in der Rentenfrage nahm Stoiber die Ankündigung, im Bundesrat gegen die anstehende Rentenerhöhung von 0,6 Prozent zu stimmen, faktisch zurück. Zwar solle eine Entschließung eingebracht wer den, die die Rückkehr zur nettolohnbezogenen Rente fordert, doch wenn sie scheitert, wollen die unionsgeführten Länder in Abstimmung mit Partei- und Fraktionsführung neu entscheiden. Eine durch ihr Veto drohende Verschiebung selbst dieser minimalen Rentenerhöhung möchten sie nicht gern auf ihre Kappe nehmen. Zu den Rentenkonsensgesprächen richteten sie einen moderaten Brief an den Bundeskanzler (siehe nebenstehend), der die Parteichefs für den 13. Juni zu einem Gespräch eingeladen hat.

Edmund Stoiber konstatierte der neuen CDU-Spitze unter Angela Merkel zwar, nun sei der von ihm zur Unionsmode gemachte Kampfanzug auch ein »schmuckes Kleid der CDU-Spitze«, doch in die Berliner Mauerstraße war er selbst mit einem im Schlachtgetümmel wenig zweck mäßigen hellen Sommeranzug gekommen - und verhielt sich danach. Kein Wunder, dass Angela Merkel am Ende spöttisch feststellen konnte: »Unsere Kampfanzüge sehen sehr sympathisch aus.«

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