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mmam Privatrenten unkalkulierbar

Versicherer kürzen Auszahlungen drastisch Von Kurt Stenger

  • Lesedauer: 4 Min.

Bei den Rentenkonsensgesprächen zwischen Regierung und konservativer Opposition, die heute fortgesetzt werden, gibt es zumindest eine grundsätzliche Einigung der Teilnehmer: Um die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung stabil zu halten, soll es Kür zungen bei den Leistungen geben, die wiederum durch eine stärkere staatliche Förderung privater Altersvorsorge aufgefangen werden soll. In der Rentendebatte wird häufig suggeriert, dass eine solche kapitalgedeckte Alterssicherung von der demographischen Entwicklung - längere Lebenserwartung, immer weniger junge Beitragszahler - unberührt bleibt.

Dass dies indes Unsinn ist, bekommen gerade jetzt Bürger zu spüren, die auf der Deutschen liebstes privates Altersvorsor geprodukt gesetzt haben - die Kapital-Lebensversicherung bzw. die private Rentenversicherung. Der Bund der Versicherten geht davon aus, dass die Einmalabfindungen bzw. die monatlichen Renten bis zum Lebensende in den letzten Jahren gegenüber den Versprechungen bei Ver tragsabschluss im Schnitt um bis zu 20 Prozent gekürzt worden sind. In Einzelfällen, so der Sprecher des Verbandes, Thorsten Rudnik, falle die Privatrente um mehr als 50 Prozent niedriger aus, als der Anleger ursprünglich gehofft hatte. Würde bei der gesetzlichen Rente ähnlich verfahren, gebe es einen «riesigen Aufschrei», so Rudnik gegenüber ND

Diese Kürzungen haben objektive Gründe. Bei Privatrenten ergibt sich die Rendite der eingezahlten Beiträge aus den Gewinnen des jeweiligen Versicherungskonzerns. Die wiederum hängen vom allgemeinen Zinsniveau - die Gelder der Anleger werden, wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben, zum größten Teil in sicheren Anleihen angelegt, die seit Jahren sehr niedrig verzinst sind - und von der allgemeinen Lebenserwartung ab. Die Demographie schlägt also zu: Je länger die Privatrentner leben und je weniger Junge Beiträge zahlen, desto teurer kommt es die Versicherer. Das Zinsniveau hängt im Übrigen auch von der Zukunft der gesetzlichen Rente ab -je mehr der Gesetzgeber die Bürger nötigt, privat fürs Alter vorzusorgen, und je mehr Anlagegelder an die Anleihenmärkte drängen, desto mehr drückt das Überangebot von Kapital auf die Zinsen und entsprechend auch auf die zu erwartende Rendite.

Es gibt aber nicht nur objektive Gründe für gekürzte Privatrenten. Der Sprecher des Bundes der Versicherten weist darauf hin, dass zahlreiche Versicherungen lange Zeit mit nicht zeitgemäßen «Sterbetafeln», die die allgemeine Lebenserwar tung schätzen, gearbeitet hätten. Dadurch seien den Kunden bei Vertragsabschluss unrealistische Renditen vorgegaukelt worden seien. Aus diesem Grunde ist das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen schon vor Jahren aktiv geworden und hat die Versicherungswirtschaft angewiesen, aktuellere Sterbetafeln zu verwenden. Dies wurde inzwischen, wie der Bund der Versicherten glaubt, weitgehend umgesetzt - Folge: drastisch gekürzte Rentenversprechen. Dennoch, so Rudnik, werde immer noch zu viel ver sprachen.

Inzwischen gibt es auch Unternehmen, die folgerichtig eine Konsequenz gezogen haben: Aufgrund der schwierigen Kalkulation bieten sie überhaupt keine oder kaum noch private Rentenversicherungen an. Die Hannoversche Leben etwa, einer der derzeit günstigsten Direktversicherer am Markt, vergibt dieses Produkt nur noch an mindestens 45-Jährige.

Die Altersvorsorge-Sondervermögen (AS-Fonds) der Banken hält Rudnik sogar noch für ein besseres Produkt. Dem Anleger seien die Risiken nämlich viel mehr bewusst als bei den Kapital-Lebens- und den privaten Rentenversicherungen. Die AS-Fonds stellen bekanntlich keine Versicherung dar, die vor bestimmten Unwägbarkeiten (besonders langes Leben) schützt. Ausgezahlt wird am Ende nur das, was der Anleger eingezahlt hat, plus die erwirtschaftete Rendite, die allerdings schwer prognostizierbar ist - die Anbieter halten sich bei Vertragsabschluss mit konkreten Berechnungen zurück. Ist das Geld verbraucht, gibt es keinen Pfennig mehr - auch wenn der Anleger noch weitere 20 Jahre lebt. Einen Schutz vor Altersarmut bieten sie also nur bedingt.

Wenn man sich die geläufigen privaten Altersvorsorgeprodukte heute anschaut, wird klar, warum sich die Rentenexperten und -politiker, die lauthals mehr private Vorsorge fordern, mit genauen Berechnungen über Beiträge und Leistungen zurückhalten. Würden ähnliche Langfristprognosen präsentiert wie bei der gesetzlichen Rente, dürfte die Überraschung groß sein.

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