nd-aktuell.de / 18.05.2000 / Politik / Seite 10

Streit ums Einkaufen bei der »Tour«

Martin Höxtermann, Freiburg

Das größte und prestigeträchtigste Radrennen der Welt rollt in diesem Jahr auch durch den Südwestzipfel Deutschlands. Die 18. Etappe der Tour-de- France führt auf einer Länge von 248,5 Kilometern am 20. Juli von Lausanne in der Schweiz kommend über Rheinfelden und Lörrach nach Freiburg im Breisgau. Von dort aus werden die Radler am darauf folgenden Tag im Zwei-Minuten-Takt auf die 59.5 Kilometer lange Zeitfahrstrecke ins elsässische Mühlhausen geschickt.

Rund 1,3 Millionen Mark hat die Stadt Freiburg locker gemacht, um das Radsport-Spektakel nach 1964, 1971 und 1977 zum vierten Mal nach Südbaden zu holen. Doch kein sportliches Großereignis ohne kleinlichen Streit: Die Freiburger sind sich uneinig, wie lange an diesem Tag die Geschäfte geöffnet haben sollen. Schließlich werden rund eine Millionen Radsportbegeisterte in diesen beiden Tagen in der Stadt weilen. Neben dem Sportereignis erwartet sie auch ein deutschfranzösisches Tour-Fest, das am 20. Juli auf diversen Plätzen der Innenstadt gefeiert werden soll.

Deshalb möchte die heimische Wirtschaft an diesem Abend die Läden bis 21 Uhr geöffnet sehen, eine Stunde länger als sonst üblich. Das Organisationskomitee »Tour-Etappe-Freiburg« hat beim Amt für Öffentliche Ordnung einen entsprechenden Erlass beantragt. Anderenfalls vergebe Freiburg die einmalige Chance, sich als »eine weltoffene Einkaufsmetropole und zugleich vitalen Standort für die Begegnung zwischen allen Regionen und Nachbarländern zu präsentieren«, sagte Bernd Dalimann von der örtlichen Wirtschaft und Touristik GmbH. Dies lehnen Betriebsräte und Gewerkschaften entschieden ab,. »Die Weltoffenheit einer ^Stadt zeigt sich nicht an den Ladenöffnungszeiten, sondern beispielsweise im: Umgang mit ausländischen Menschen«, sagte Doris Below von der Gewerkschaft Handel Banken und Versicherungen. Die Besucher wollten nicht »mit Tüten bepackt von einem Geschäft zum anderen laufen, wenn ab 20 Uhr quer durch die Innenstadt das Tour-Fest mit Kulturprogramm und Feuerwerk beginnt«.

Die lokale FDP kritisiert die Haltung der Gewerkschaft als eine »sehr eingeschränkte und egoistische Sichtweise«, die der Stadt »schweren Schaden« zufüge. »Wir machen uns zum Gespött unserer europäischen Nachbarn, die für unsere restriktive und vorsintflutliche Gesetzgebung sowie die Betonköpfe der Gewerk Schäften wenig Verständnis haben«, polemisiert die FDP in einer Stellungnahme.

Kommen die Millionen Radsport-Fans tatsächlich zum Shopping in den Breisgau? Wohl kaum, meint auch der Geschäftsführer des Freiburger Einzelhandelsverbands, Manfred Noppel: Einkaufen zwischen 20 und 21 Uhr sei an diesem Tag nicht unbedingt notwendig. Das letzte Wort ist in der Sache freilich noch nicht gesprochen.