nd-aktuell.de / 18.05.2000 / Politik / Seite 15

Sie wär›n so gern modern

Doro Scholz

Wenn Mutter Khan warnt, muss Mutter Maria eine Umleitung nehmen. Die Straße, durch die ihre Statue geschleppt wird, kann blitz schnell zum Feindesland werden. Zumindest für ihre jungen Träger, denn deren Wohnhaus liegt am Prozessionsweg. Sollte Vater, der mit dem katholischen Glauben auf Kriegsfuß steht, früher als erwartet aus der Moschee heimkehren und seinen Nachwuchs beim Huldigen fremder Götter erwischen, gibt es mächtig Ärger.

Fröhlich absurd beginnt Damien 0‹ Donneils Verfilmung des gleichnamigen Bühnenstücks «East is East». Sie taucht, nach bester britischer Manier, direkt ein ins enge Arbeiter- und Kleinverdiener-Milieu der englischen Stadt Salford. Dort muss kreativ sein, wer sich treu bleiben will, ganz besonders, wenn man einer aus unterschiedlichsten Kulturen zusammengewürfelten Familie entspringt. Mutter Khan (Linda Bassett), eine katholische Britin und warmherzige Familienglucke, und Vater Khan (Om Puri), den pakistanischen Familienpatriarchen, verbinden eine langjährige Ehe, sechs sehr unter schiedliche Kinder und der Familienbetrieb, eine Fish n›Chips-Bude. Was Herr Khan an seiner geliebten Gattin duldet, kommt bei den Kindern nicht in die Tüte. Sie sollen ihr Leben nach traditionellen islamischen Glaubensvorstellungen führen. Und die haben mit den Wünschen und Träumen der Tochter und der Söhne nichts gemein - denn Sajid, Meenah, Maneer, Saleem, Tariq und Abdul wollen sich, jeder auf seine Weise, im britischen Hier und Jetzt frei entscheiden.

So spitzt sich «East is East» - bei aller Unterhaltsamkeit dank eines sicheren Blicks für die komischen Widersprüchlichkeiten zwischen den Kulturen - zu einem schmerzhaften Familiendrama zu. Längst hat sich die Familie ein heimliches Leben neben dem rigiden Diktat aufgebaut, das nun zu zerbrechen droht - der eine, ein schwuler Hutmacher, soll verheiratet werden, der andere, ein provokanter Kunststudent, lässt den Vater im Glauben, er werde Ingenieur. Je stärker sich Khans Kinder seinem Willen widersetzen, desto aggressiver beharrt er auf seinen Vorstellungen. Die Mutter als Mittlerin zwischen Vater und Kindern, Tradition und Moder ne, Ost und West, ist nicht die Einzige, die dabei ein blaues Auge davonträgt und beinahe zerbricht, bevor der Widerstand Früchte trägt.

So beobachtet der Film nicht nur augenzwinkernd interkulturelle Missverständnisse; mit einer Fabel über Menschen und ihre Alltagsstrategien unter diktatorischen Verhältnissen gibt er auch ein Plädoyer für Toleranz und Freiheit.

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