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Am Ende triumphierte Radio Grenzenlos

Razzia der Polizei am letzten Tag / Aktionen an Grenze und BGS-Stützpunkt / Positive Resonanz verunsicherte Teilnehmer Grenzcamp Von Ivo Bozic, Forst

  • Lesedauer: 3 Min.

Gegen 8.30 Uhr stürmte ein Sonder einsatzkommando der Polizei, unterstützt von 200 BGS-Beamten, den Zeltplatz und beschlagnahmte einen illegalen Radiosender, der die ganze ver gangene Woche über von den Campteilnehmern betrieben worden war. Auf UKW hatte »Radio Grenzenlos« die Stadt Forst und die nähere Umgebung mit Informationen aus dem Grenzcamp versorgt. Bei der Beschlagnahmung kam es zu Rangeleien mit den Campteilnehmern. Im Gegenzug sollen mehrere Autoreifen von Polizeifahrzeugen zerstochen worden sein. Ansonsten zogen sowohl die Polizei als auch die Teilnehmer des Grenzcamps ein positives Resümee. Entgegen aller Panik mache im Vorfeld war es nur zu geringen Sachschbeschädigungen und insgesamt elf Festnahmen gekommen. Die Festgenommenen stammten fast alle aus der Forster Punkszene und wurden von der Polizei nicht den Campteilnehmern zugeordnet. Polizeisprecher Peter Boenke er klärte gegenüber ND- »Unsere Taktik ist aufgegangen. Wir haben für alle Aktionen Auflagen erteilt und uns ansonsten weitgehend tolerant verhalten.« Die Antirassisten hätten von ihrem »guten Recht« zum Protest Gebrauch gemacht. Sie hätten ja auch eine »gute Absicht verfolgt, gegen diese Asylpolitik zu demonstrieren«.

Die überraschend positive Resonanz nicht nur der Polizei, sondern auch der regionalen und überregionalen Medien hatte die Campteilnehmer teilweise schwer verunsichert. Schließlich wollte man nicht von dem aktuellen Anti-Nazi- Diskurs vereinnahmt werden. »Wir haben auf die Ursachen der rechten Welle aufmerksam gemacht«, erklärte Daniel Hollerts von der Kampagne »Kein Mensch ist illegal.« »Und die liegen nicht bei der NPD sondern bei dem gesellschaftlichen Klima, das Rassismus duldet und bei der herr sehenden Flüchtlingspolitik, die ebenfalls durch und durch rassistisch ist.«

Doch es fiel den Campern gar nicht leicht, den Ruch des Gutmenschen abzustreifen. Selbst eine offensive Aktion vor cher gut getan, wenn sie selbst einen Aktionstag gegen ausländerfeindliche Über griffe und rechte Gewalt organisiert und Zivilcourage gezeigt hätte».

Die vorwiegend aus der autonomen Szene stammenden Grenzcamper hatten während der letzten Woche in Forst gegen das «Grenzregime des BGS», in Eisenhüttenstadt gegen das Abschiebegefängnis, in Guben gegen Antisemitismus und in Spremberg gegen einen Treffpunkt der Naziszene demonstriert. Am Rande der sonst friedlichen Demo in Spremberg am Donnerstag wurde ein PKW, in dem ein Naziskin saß, schwer demoliert. In Forst tauschten die Grenzcamper Gutscheine der Flüchtlinge gegen Geld ein, um gegen die Bevormundung der Asylbewerber zu demonstrieren.

Nachdem die Meldung von der Festnahme mehrerer illegal eingereister Flüchtlinge an der Grenze im Camp die Runde gemacht hatte, sorgten die Antirassisten spontan in der Stadt für Chaos und forderten eine «Ende der Menschenjägerei». Auf dem Bahnhof in Cottbus wurden BGS-Beamte bei ihrer Arbeit behindert, über die Neiße provisorische Brücken gebaut. «Wir wollen die Grenze unterlaufen, sie durchdringbar machen. Wir wollten eine Woche lang Sand im Getriebe des Grenzregimes sein. Das ist uns gelungen», resümierte Camp-Organisator Hollerts gegenüber ND

Bevor die aus der ganzen Bundesrepublik stammenden Autonomen am Sonntag abreisten, veranstalteten sie noch einen Autokorso vor dem Forster Rathaus und wie zum Hohn füllte noch einmal «Radio Grenzenlos» den Äther. Wie die Radiopiraten das zu Stande brachten, blieb ihr Geheimnis.

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