nd-aktuell.de / 12.10.2000 / Politik

Brauner Sumpf in alten Ländern nie ausgetrocknet

Monumentale Einseitigkeit Dies ist das Mindeste, das jeder, der aus ureigener Erfahrung mit der »Erfolgsstory BRD« vertraut ist, dem Autor jenes irreführenden Kommentars vor halten muss - außer man wollte ihn vorsätzlicher Entstellungen bezichtigen. Der Verfasser dieser Widerlegung ist in den USA geboren und aufgewachsen. Ab Anfang Mai 1945 war er Offizier der US- Militärregierung im Rang eines Oberstleutnants und in dieser Eigenschaft, der erste Nachkriegsintendant des Bayrischen Rundfunks, damals »Radio München«. Angetreten, um möglichst wirk sam zur »Entnazifizierung«, »Demokratisierung« und »Entmilitarisierung« beizutragen, erlebten meine Kollegen und ich sowie nicht wenige gleich gesinnte Deutsche von Anbeginn an mancherlei herbe Enttäuschung.

Binnen kürzester Zeit nach unserer Ankunft im besiegten Deutschland waren wir Zeugen z. B. davon, dass unter den Augen unserer hohen und höchsten Militärs zahlreiche Leute, die erst ein paar Monate zuvor während der Hitler-Diktatur einflussreiche Posten bekleidet hatten, nunmehr aufs Neue zu Amt und Würden gelangten in Bayern sowie in anderen von den West-Alliierten besetzten Zonen. Um ein einziges Beispiel zu nennen: Ein Mann, der in Bayern als »Sonderminister für Entnazifizierung« eingesetzt wor den war, machte sich zahlreicher Fälle schuldig, bei denen unser Rundfunk-Kommentator Ungereimtheiten oder flagrante Ungerechtigkeiten detailliert und einwandfrei nachweisen konnte. Sie liefen auf eine deutlich erkennbare Tendenz hinaus, kleinere oder kleinste Mitläufer aus den Reihen der NSDAP zu angeblichen Aktivisten vernichtend »hochzustilisieren«, während ehemalige Par teibonzen zu bloßen Mitläufern »heruntergestuft« wurden meistens, versteht sich, zu ihrem persönlichen Vorteil und mit er heblichen Begünstigungen für den Einstieg in neue oder neu-alte luk rative Karrieren.

Würde man Herrn Eisenfeld Glauben schenken können, musste man sich sein Wunschbild zu eigen machen dahingehend, dass die BRD bereits »in der Wiege« eine lupenreine Demokratie gewesen sei, wobei Tatsache ist, dass z.B. in der konstituierenden Bundesver Sammlung nachweislich - sage und schreibe! - 49 eingetragene Mitglieder der NSDAP im Saal als Abgeordnete zugegen waren. Und unter etlichen anderen ehemals aktiven NSDAP-Mitgliedern saß im ersten Kabinett der Bundesrepublik Deutschland z. B. Hans Globke, Konrad Adenauers Intimus, der als Kommentator der Nürnberger Rassengesetze der Wegbereiter für Adolf Eichmann und die »Endlösung der Judenfrage« war.

Das Dargestellte wird für Unvoreingenommene wohl ausreichen, um zu zeigen, dass in den »alten Bundesländern« der braune Sumpf nie ausgetrocknet wur de. Dass darin ein fruchtbarer Nährboden für Rassismus, Rechtsradikalismus und Fremdenhass fortbesteht, kann keinesfalls angezweifelt werden. In welchem Maße er als eine im Westen angefertigte »Exportware« die neuen Bundesländer in Mitleidenschaft zieht oder dort auf dem eigenen Mist gewachsen ist, ließe sich aller dings schwer schätzen. Die sich zusehends breitmachende Per spektivlosigkeit vieler junger Menschen sowohl in West- als auch und vor allem in Ostdeutschland trägt zweifellos Wesentliches dazu bei, dass Gewalttätigkeit, Fremdenhass und Vandalismus solchen Opfern unseres glänzenden »Kleptokapitalismus« zumindest den Schein einer sonst nicht empfundenen neuen Identität verleihen.

Emmet-Field Horine 79111 Freiburq im Breisqau